Vorhof der Hölle – Die Massaker von Saaz–Kaaden im Juni 1945
24. Oktober 2025
Im Juni 1945, nur wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ereigneten sich in Nordböhmen, in den Städten Saaz (Žatec) und Kaaden (Kadaň) sowie im nahegelegenen Postelberg (Postoloprty), Massaker an der deutschen Zivilbevölkerung. Mehrere hundert Männer und Jugendliche wurden in Sammellagern interniert, misshandelt und schließlich erschossen. Diese Ereignisse gehören zu den umstrittensten Kapiteln der sogenannten „wilden Vertreibungen“ der Sudetendeutschen.
Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches im Mai 1945 übernahm die tschechoslowakische Regierung unter Präsident Edvard Beneš die Kontrolle über die zurückgewonnenen Gebiete. In den Grenzregionen, in denen die deutsche Bevölkerung jahrhundertelang gelebt hatte, kam es zu spontanen Racheakten, Misshandlungen und Massakern. Die Massaker von Saaz–Kaaden stehen in direktem Zusammenhang mit den Maßnahmen der tschechoslowakischen Armee und Milizen, die deutsche Zivilisten pauschal als Kollaborateure betrachteten.
Am 3. Juni 1945 wurden in Saaz alle deutschen Männer zwischen 13 und 65 Jahren auf den Marktplatz beordert. Unter Schlägen und Schüssen trieb man sie in Kolonnen nach Postelberg, rund 15 Kilometer entfernt. Wer nicht mithalten konnte, wurde erschossen. Bereits auf dem Marsch kam es zu ersten Tötungen. In Postelberg angekommen, pferchte man die Männer in einer Kaserne zusammen. Verwundete und Tote mussten von den Gefangenen selbst in Gruben geworfen werden. Am 4. und 5. Juni kam es zu systematischen Selektionen: angebliche NSDAP-Mitglieder, Wehrmachtsangehörige oder „verdächtige“ Personen wurden ausgesondert und verschwanden – meist in den Tod. Mehrere hundert Männer wurden erschossen und in Massengräbern verscharrt. Spätere Exhumierungen bestätigten die Dimension der Verbrechen. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute umstritten; Schätzungen reichen von mehreren Hundert bis über 700 Tote.
Der Überlebende Peter Klepsch, damals 17 Jahre alt, schilderte später, wie er mit anderen Jugendlichen in Postelberg interniert wurde. Er sprach von einem „Vorhof der Hölle“ und erinnerte sich an willkürliche Erschießungen und Misshandlungen.
Lange Zeit wurden die Massaker in der Tschechoslowakei kaum thematisiert. Erst in den 1990er-Jahren und durch journalistische Recherchen, etwa des ZDF-Magazins Frontal21, rückten die Ereignisse stärker ins öffentliche Bewusstsein. Offizielle Untersuchungen bestätigten die Massaker, doch eine umfassende juristische Aufarbeitung blieb aus. Bis heute gelten die Ereignisse als umstrittenes Kapitel der Nachkriegsgeschichte, das zwischen Erinnerung, Schuldzuweisung und politischem Schweigen oszilliert.
Die Massaker von Saaz–Kaaden im Juni 1945 gehören zu den schwersten Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Mehrere hundert Männer wurden unter dem Vorwand der „Überprüfung“ interniert, misshandelt und erschossen. Zeitzeugenberichte und spätere Exhumierungen belegen das Ausmaß der Gewalt. Trotz historischer Aufarbeitung bleibt das Thema in Politik und Gesellschaft bis heute sensibel und kontrovers.
Quellenangaben:
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