Weil sie Deutsche sind – Bromberger Blutsonntag vom 03.09.1939

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Als das Deutsche Reich am Ende des Zweiten Weltkrieges zusammenbrach, war es für die Deutsche Wehrmacht ein verzweifelter Kampf ums Überleben. Für die Zivilbevölkerung war es der Beginn eines Albtraums, denn sie wurde plötzlich zum Freiwild für die Rachegelüste des Feindes. Dieser hasste sie so sehr, dass er ihnen kein Erbarmen zeigte. Was die Deutschen in jenen Tagen erleiden mussten, war grausamer als alles, was sie sich je hätten vorstellen können.

Der 3. September 1939 war ein Sonntag wie jeder andere in der westpreußischen Stadt Bromberg (polnisch Bydgoszcz). Die Menschen gingen in die Kirche, spazierten durch die Straßen oder genossen die Ruhe in ihren Häusern. Niemand ahnte, dass dieser Tag zu einem der blutigsten und grausamsten in der Geschichte der Stadt werden würde.

Die Vorgeschichte

Bromberg war seit 1920 Teil des neu gegründeten polnischen Staates, nachdem es nach dem Ersten Weltkrieg vom Deutschen Reich abgetrennt worden war. Die Stadt hatte eine gemischte Bevölkerung aus Polen und Deutschen, die mehr oder weniger friedlich miteinander lebten. Die deutsche Minderheit machte etwa 20 Prozent der Einwohner aus und genoss einige kulturelle und politische Rechte1

Doch die Spannungen zwischen den beiden Volksgruppen nahmen in den 1930er Jahren zu, als das nationalsozialistische Deutschland unter Adolf Hitler eine aggressive Außenpolitik verfolgte. Hitler forderte die Rückgabe der ehemals deutschen Gebiete an das Reich und schürte den Hass auf die Polen. Er unterstützte auch die Volksdeutschen in Polen, die sich als diskriminiert und bedroht fühlten. Er schickte ihnen Waffen, Geld und Propaganda, um sie für einen möglichen Aufstand vorzubereiten2

Im Frühjahr 1939 gab Hitler der Wehrmachtsführung den Befehl, einen Überfall auf Polen zu planen. Er wollte das Land zerschlagen und seine Gebiete annektieren. Er rechnete nicht mit einer ernsthaften Gegenwehr der polnischen Armee oder einer Intervention der westlichen Alliierten. Er brauchte nur einen Vorwand, um den Krieg zu beginnen. Diesen lieferte er selbst am 31. August 1939, als er eine fingierte Attacke auf den deutschen Sender Gleiwitz inszenierte. Er behauptete, dass polnische Terroristen den Sender überfallen und einen deutschen Beamten ermordet hätten. Dies war der Anlass für den deutschen Überfall auf Polen am 1. September 19393

Die Eskalation

Die polnische Armee war dem deutschen Angriff nicht gewachsen. Sie wurde schnell von der überlegenen Wehrmacht überrollt und musste sich zurückziehen. In Nordpolen kämpfte sie verzweifelt gegen die deutsche 3. Infanteriedivision, die sich durch den Raum Bromberg der Weichsel näherte. Große Teile der polnischen Armee Pomerellen wurden in der Schlacht in der Tucheler Heide zerschlagen. Die polnischen Behörden in Bromberg fürchteten eine schnelle Besetzung der Stadt und stellten mit Freiwilligen, darunter Angehörigen paramilitärischer Einheiten, und Pfadfindern eine Art „Bürgerwehr“ auf.

Am 3. September bewegten sich bereits polnische Soldaten und Zivilisten in großer Zahl durch die Stadt. Auf der zentralen Danziger Straße entstand eine Panik. In dieser Situation verbreiteten sich Gerüchte, denen zufolge deutsche Saboteure von den Türmen der evangelischen Kirchen auf Polen geschossen hätten. Die Gerüchte lösten eine Hetzjagd auf einheimische Deutsche aus.

Polnische Soldaten und bewaffnete polnische Zivilisten unternahmen Aktionen gegen Volksdeutsche, die der Zusammenarbeit mit den deutschen Truppen verdächtigt wurden. Nachdem sich die Situation gegen Nachmittag beruhigt hatte, setzte die „Bürgerwehr“ die Aktionen während der Nacht und des folgenden Tages fort, bis am Morgen des 5. September deutsche Truppen in die Stadt einmarschierten.

Häuser wurden geplündert und eine Kirche in Brand gesteckt. Die einzelnen Taten lassen sich jedoch im Nachhinein nicht mehr rekonstruieren. Ob tatsächlich eingeschleuste deutsche Provokateure oder lokale Volksdeutsche das Feuer eröffneten, oder ob aus Hysterie eine Panik entstand, ist ungeklärt.

Die Opfer

Die genaue Zahl der Opfer des Bromberger Blutsonntags ist bis heute umstritten. Die nationalsozialistische Propaganda behauptete, dass mehr als 5.000 Deutsche ermordet worden seien. Sie prägte den Begriff „Bromberger Blutsonntag“ und nutzte die Ereignisse, um den Überfall auf Polen und die brutale Besatzungspolitik zu rechtfertigen. Sie inszenierte Massengräber und Leichenberge, um die Grausamkeit der Polen zu demonstrieren. Sie schickte auch internationale Journalisten und Fotografen in die Stadt, um die Weltöffentlichkeit zu schockieren.

Die polnische Seite bestritt diese Zahlen und sprach von einer deutschen Lüge. Sie wies darauf hin, dass auch viele Polen von den Deutschen getötet worden seien, sowohl während als auch nach dem Blutsonntag. Sie betonte auch, dass die Übergriffe auf die deutsche Minderheit nicht von der polnischen Regierung oder Armee angeordnet oder gebilligt worden seien, sondern von spontanen und unkontrollierten Aktionen einzelner Personen oder Gruppen ausgingen. Sie beschuldigte auch die Deutschen, die Gewalt provoziert und angeheizt zu haben.

Die meisten Historiker gehen heute von einer Opferzahl zwischen 300 und 600 Deutschen aus, die in Bromberg und Umgebung getötet wurden. Sie erkennen an, dass es sich um ein schweres Verbrechen handelte, das nicht entschuldigt werden kann. Sie weisen aber auch darauf hin, dass es im Kontext des Krieges und der nationalsozialistischen Aggression zu sehen ist. Sie betonen auch, dass es kein Einzelfall war, sondern Teil einer Reihe von Gewaltakten gegen Minderheiten in Europa vor und während des Zweiten Weltkriegs.

Die Folgen

Der Bromberger Blutsonntag hatte schwerwiegende Folgen für die Stadt und ihre Bewohner. Als Vergeltung ermordeten Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes (SD) sowie Wehrmachtseinheiten nach der Eroberung Brombergs Tausende Menschen. Außerdem verurteilte ein nationalsozialistisches Sondergericht mehr als 200 Polen wegen der Übergriffe auf die deutsche Minderheit zum Tode.

Die deutsche Besatzungsmacht verfolgte eine rücksichtslose Politik der Germanisierung und Ausrottung in Bromberg und ganz Polen. Sie deportierte oder ermordete Juden, Polen und andere unerwünschte Gruppen. Sie zerstörte oder beschlagnahmte polnische Kulturdenkmäler, Schulen und Kirchen. Sie siedelte deutsche Kolonisten an, die das Land übernehmen sollten. Sie machte aus Bromberg eine deutsche Stadt mit dem Namen „Bromberg“.

Nach dem Ende des Krieges wurde Bromberg wieder Teil Polens. Die meisten Deutschen wurden vertrieben oder flohen vor der Rache der Polen. Die Stadt wurde wieder zu Bydgoszcz umbenannt und musste sich von den Zerstörungen erholen. Die Erinnerung an den Bromberger Blutsonntag blieb jedoch lebendig und wurde zum Symbol für das Leid und den Hass zwischen Deutschen und Polen im 20. Jahrhundert.

[…]” In der Nacht von Sonntag auf Montag früh wurden einzelne Aktionen durchgeführt in folgender Form: Der Pöbel durchkämmte die Straßen nach Deutschen und rief überall die Bürgerwehr oder das polnische Militär hin, wo Deutsche wohnten. Die Bürgerwehr und die polnischen Soldaten drangen dann in die Häuser und Gehöfte ein, und entweder ermordeten sie dann die vorgefundenen Deutschen an Ort und Stelle oder schleppten sie mit sich und ermordeten sie auf der Straße oder in einem Garten. “[…]

Augenzeugenberichte

[…]” Unbeschreibliches Elend und Grausamkeiten sind ringsherum angerichtet worden! Wir vermissen noch unsere Geschwister K., den 75-jährigen Vater und seine Tochter, ferner Frau L. aus Wilhelmsort und ihre Tochter, die als Flüchtlinge bei ihnen waren, sowie Familie B. und zwei ältere Damen aus demselben Hause. 

Sie alle wurden wie Vieh vertrieben. Der Bruder von Frau B. hat nicht gleich das „Hände hoch!“ verstanden und wurde auf der Stelle erschossen. An der Friedhofsmauer in der Grunwaldska habe ich ihn liegen gesehen. Herr S. und Sohn aus Jägerhof sowie seine Tochter aus Schwedenhöhe sind auch erschlagen worden. 

Ihr Bruder aber machte sich durch Bewegungen mit dem Fuß bei Vorübergehenden bemerkbar, die sich dann seiner annahmen, und auf diese Weise ist er vom Tod errettet worden. Geschwister A. sind ebenfalls ums Leben gekommen und viele, viele um uns her. Unser H. Sch., 14 Jahre alt, ist auch unter den Erschlagenen. 51 Deutsche wurden allein in Jägerhof an einem Tag in Massengräbern bestattet. Darunter befand sich auch der bis zur Unkenntlichkeit zugerichtete Pfarrer K. Am Tage darauf wurde auch Herr F. beerdigt. Frau B. ist auch vermißt. Zwei Vettern von mir liegen auch unter den Erschlagenen.“[…]

[…]” Aber an diesem Tag (3. 9. 1939) ereignet sich auch das erste schreckliche Blutbad. Um 10.15 Uhr beginnt in Bromberg zwischen Polen und Angehörigen der deutschen Volksgruppe ein fanatisches Massaker. Bei dem Gemetzel kommen 238 Polen und 223 Deutsche ums Leben. Der Blutsonntag von Bromberg läßt die Welt erschauern, als sie davon hört.“[…]

 

  • Bromberger Blutsonntag – Wikipedia: Diese Seite gibt einen Überblick über die Ereignisse, die Opferzahlen, die NS-Propaganda, die polnischen Untersuchungen und die Rezeption des Bromberger Blutsonntags. Sie enthält auch viele Einzelnachweise und Literaturhinweise.

  • LeMO Der Zweite Weltkrieg – Kriegsverlauf – „Bromberger Blutsonntag“: Diese Seite ist Teil des Online-Angebots des Deutschen Historischen Museums. Sie beschreibt die Vorgeschichte, die Eskalation, die Opfer und die Folgen des Bromberger Blutsonntags. Sie zeigt auch ein Foto von deutschen Soldaten und Journalisten vor Leichen getöteter Deutscher.

  • Zweiter Weltkrieg: Was beim “Bromberger Blutsonntag” geschah: Diese Seite ist ein Artikel der Welt vom 3. September 2012. Sie berichtet über die Rolle von Joseph Goebbels bei der Ausnutzung des Bromberger Blutsonntags für die NS-Propaganda. Sie zitiert auch aus seinem Tagebuch.

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