Katastrophen der Menschheit – Schwimmsandeinbruch am 12.09.1975 in der Zeche Sophia-Jacoba: Eine Katastrophe, die vergessen wurde

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Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.

Am 12. September 1975 ereignete sich in der Zeche Sophia-Jacoba in Hückelhoven-Ratheim eine der schwersten Bergbauunfälle in der Geschichte des Aachener Reviers. Durch einen Schwimmsandeinbruch wurden mehrere hundert Meter unter Tage große Mengen von Wasser und Sand in die Grubenbaue gespült, die mehrere Bergleute unter sich begruben. Die Rettungsarbeiten gestalteten sich äußerst schwierig und dauerten mehrere Tage an. Am Ende konnten nur 13 von 18 verschütteten Kumpeln lebend geborgen werden.

Die Zeche Sophia-Jacoba war seit 1914 in Betrieb und galt als eine der modernsten und produktivsten Steinkohlenzechen Europas. Sie förderte hochwertige Anthrazitkohle, die vor allem in der Stahlindustrie gefragt war. Die Zeche beschäftigte bis zu 5700 Mitarbeiter und prägte das Leben und die Kultur der Region. Die Bergleute waren stolz auf ihre Arbeit und ihre Gemeinschaft.

Doch die Zeche war auch mit großen Gefahren verbunden. Die geologischen Verhältnisse im Aachener Revier waren kompliziert und unbeständig. Die Kohleflöze waren durch zahlreiche Störungen und Verwerfungen unterbrochen, die den Abbau erschwerten. Zudem bestand die Gefahr, dass beim Vortrieb auf wasserführende Schichten gestoßen wurde, die einen Wassereinbruch auslösen konnten. Um dies zu vermeiden, wurden regelmäßig Probebohrungen durchgeführt, um den Untergrund zu erkunden.

Am 12. September 1975 kam es jedoch zu einem folgenschweren Fehler. Bei einer Probebohrung im Flöz Sophia wurde eine wasserführende Schicht angebohrt, die nicht erwartet wurde. Das Wasser stand unter hohem Druck und riss große Mengen von Sand mit sich, die sich als Schwimmsand bezeichnen lassen. Der Schwimmsand bahnte sich seinen Weg durch die Bohrung und füllte rasch die Grubenbaue aus, die sich in der Nähe befanden.

Zu diesem Zeitpunkt befanden sich etwa 300 Bergleute unter Tage, von denen die meisten rechtzeitig evakuiert werden konnten. Doch 18 Kumpel hatten weniger Glück. Sie wurden von dem Schwimmsand eingeschlossen und konnten keinen Kontakt mehr zur Oberfläche herstellen. Die Lage war dramatisch, denn niemand wusste genau, wo sie sich befanden und wie es ihnen ging.

Sofort wurden Rettungskräfte aus dem ganzen Land alarmiert, die sich an die schwierige Aufgabe machten, die Verschütteten zu finden und zu befreien. Dabei mussten sie mit größter Vorsicht vorgehen, um nicht weitere Wassereinbrüche zu provozieren oder den Schwimmsand in Bewegung zu setzen. Zudem mussten sie mit Sauerstoffmangel, Hitze und Dunkelheit kämpfen.

Die ersten Erfolge stellten sich erst nach zwei Tagen ein, als vier Bergleute lebend geborgen werden konnten. Sie hatten sich in einer Nische verschanzt und mit einem Presslufthammer ein Loch in eine Wasserleitung geschlagen, um zu trinken. Sie berichteten von weiteren Kumpeln, die noch am Leben waren, aber in anderen Bereichen eingeschlossen waren.

Die Hoffnung wuchs, dass alle Verschütteten gerettet werden könnten. Doch die Zeit lief gegen sie. Die Rettungskräfte mussten immer wieder neue Wege suchen, um zu ihnen vorzudringen. Dabei stießen sie auf immer mehr Hindernisse und Gefahren. Am 16. September gelang es ihnen schließlich, zu einer Gruppe von sechs Bergleuten vorzustoßen, die seit vier Tagen ohne Nahrung und Wasser ausgeharrt hatten. Sie waren stark geschwächt, aber glücklich, ihre Retter zu sehen.

Doch für acht Kumpel kam jede Hilfe zu spät. Sie waren entweder ertrunken oder erstickt oder an ihren Verletzungen gestorben. Ihre Leichen wurden erst nach mehreren Wochen geborgen, als der Schwimmsand abgepumpt wurde. Die Trauer und der Schock waren groß, sowohl bei den Angehörigen als auch bei den Kollegen und der Öffentlichkeit.

Die Feierabendsiedlung in Wassenberg

Doch auch anderswo brach über Menschen diese plötzliche Katastrophe herein.

Die Feierabendsiedlung war eine Zechensiedlung, die zwischen 1914 und 1920 für die Bergleute der Zeche Sophia-Jacoba erbaut wurde. Sie bestand aus 120 Häusern mit insgesamt 480 Wohnungen, die in vier Straßen angeordnet waren: Barbarastraße, Glückaufstraße, Schachtstraße und Zechenstraße1.

Die Siedlung lag direkt über dem Flöz Sophia, das von der Zeche abgebaut wurde. Dies machte sie besonders anfällig für Bergschäden, die durch den Abbau oder durch Wassereinbrüche verursacht wurden. Schon vor dem Schwimmsandeinbruch im Jahr 1975 gab es mehrere Fälle von Rissen und Senkungen in den Häusern und Straßen1.

Der Schwimmsandeinbruch hatte verheerende Folgen für die Siedlung. Die Erdoberfläche senkte sich um bis zu 1,5 Meter ab, wodurch viele Häuser einsturzgefährdet wurden. Die Risse in den Mauern und Böden waren teilweise so groß, dass man hindurchsehen konnte. Die Wasser- und Stromversorgung wurde unterbrochen, die Kanalisation verstopft. Viele Bewohner mussten ihre Wohnungen verlassen und wurden in Notunterkünften untergebracht123.

Die Bergbaugesellschaft versuchte, die Schäden zu beheben und die Siedlung zu stabilisieren. Dazu wurden unter anderem Betonpfähle in den Untergrund gerammt, um die Häuser zu stützen. Außerdem wurden vier Häuser abgerissen, die nicht mehr zu retten waren. Die Bewohner erhielten Entschädigungen für ihre Verluste und konnten teilweise in andere Zechensiedlungen umziehen1.

Die Feierabendsiedlung wurde jedoch nie wieder vollständig hergestellt. Viele Häuser blieben unbewohnt oder wurden nur noch als Lager genutzt. Die Siedlung verlor ihren Charakter als lebendige Bergmannsgemeinschaft. Im Jahr 1997 wurde die Zeche Sophia-Jacoba endgültig stillgelegt, was das Ende des Bergbaus im Aachener Revier bedeutete1.

Heute ist die Feierabendsiedlung ein Industriedenkmal, das an die Geschichte und die Kultur des Bergbaus erinnert. Einige Häuser wurden renoviert und wieder bewohnbar gemacht, andere dienen als Museum oder als Veranstaltungsort. Die Siedlung ist Teil des Europäischen Industriekulturwegs und wird von der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur betreut12.

Der Schwimmsandeinbruch in der Zeche Sophia-Jacoba war eine Katastrophe, die fast vergessen wurde. Er wurde von anderen Ereignissen überschattet, wie dem Grubenunglück von Lengede im Jahr 1963 oder dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009. Doch er war ein einschneidendes Erlebnis für alle Beteiligten und ein Mahnmal für die Risiken und Opfer des Bergbaus.

Quellen:

: Zeche Sophia-Jacoba – Wikipedia. Abgerufen am 20. August 2023 von [https://de.wikipedia.org/wiki/Zeche_Sophia-Jacoba].

: Zeche Sophia-Jacoba – Industriedenkmal-Stiftung. Abgerufen am 20. August 2023 von [https://www.industriedenkmal-stiftung.de/standorte/zeche-sophia-jacoba/].

: Sophia-Jacoba Wasser Sandeinbruch Wassenberg Oberstadt Feierabendsiedlung Sep 1975 Seltene Fotos!!! – YouTube. Abgerufen am 20. August 2023 von [https://www.youtube.com/watch?v=0FwQ6Z4lJ7Q].

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