Vergessene Genozide – das Massaker von Prijedor im Jugoslawienkrieg

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Genozide sind die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die je begangen wurden. Sie zeugen von Hass, Intoleranz und Grausamkeit gegenüber bestimmten Gruppen von Menschen, die aufgrund ihrer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt und vernichtet werden sollen. Doch nicht alle Genozide sind gleich bekannt oder anerkannt. Viele von ihnen sind vergessen oder verdrängt worden, sowohl von den Tätern als auch von der Weltöffentlichkeit. In dieser Artikelreihe wollen wir einige dieser vergessenen Genozide vorstellen und ihre Ursachen, Folgen und Aufarbeitung beleuchten.

Der Jugoslawienkrieg war eine Reihe von blutigen Konflikten, die zwischen 1991 und 2001 auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien ausbrachen. Die Ursachen für den Zerfall des sozialistischen Vielvölkerstaates waren vielfältig und komplex, aber sie hatten vor allem mit ethnischen, religiösen und politischen Spannungen zu tun. Einer der schlimmsten Schauplätze des Krieges war die nordbosnische Stadt Prijedor, wo serbische Nationalisten ein grausames Massaker an der muslimischen und kroatischen Bevölkerung verübten.

Prijedor war vor dem Krieg eine multikulturelle Stadt, in der Bosniaken, Serben, Kroaten und andere friedlich zusammenlebten. Die Stadt war auch ein wichtiges industrielles Zentrum, das von dem nahegelegenen Bergbauunternehmen Omarska profitierte. Doch im Mai 1992 änderte sich alles, als die serbischen Truppen unter der Führung von Radovan Karadžić die Kontrolle über die Region übernahmen. Sie erklärten die Stadt zur Hauptstadt der selbsternannten Republika Srpska, einer serbischen Separatisten-Entität, die sich vom unabhängigen Bosnien-Herzegowina abspalten wollte.

Die serbischen Machthaber begannen sofort mit einer systematischen “ethnischen Säuberung” der nicht-serbischen Bevölkerung. Sie errichteten mehrere Konzentrationslager in der Umgebung von Prijedor, in denen sie tausende von Bosniaken und Kroaten gefangen hielten, folterten und ermordeten. Eines dieser Lager war Omarska, das ehemalige Bergbauunternehmen, das nun zu einem Ort des Schreckens wurde. Die Gefangenen wurden in Hangars und Garagen untergebracht, wo sie kaum etwas zu essen oder zu trinken bekamen. Sie wurden regelmäßig geschlagen, misshandelt, vergewaltigt und getötet. Viele starben an Hunger, Durst, Krankheiten oder Verletzungen.

Die genaue Zahl der Opfer des Massakers von Prijedor ist bis heute nicht bekannt, aber sie wird auf mehrere tausend geschätzt. Die Organisationen Human Rights Watch und das UN-Flüchtlingshilfswerk gehen von Opferzahlen zwischen 4.000 und 5.000 getöteten Personen aus1. Nach dem Ende des Krieges wurden in der Nähe von Prijedor 62 Massengräber entdeckt, in denen die Leichen der Ermordeten verscharrt wurden2. Eines dieser Gräber wurde erst Ende 2013 gefunden, in dem sich die Überreste von 773 Menschen befanden3.

Das Massaker von Prijedor blieb lange Zeit unbekannt für die internationale Öffentlichkeit. Erst im August 1992 gelang es einigen Journalisten, das Lager Omarska zu besuchen und darüber zu berichten. Ihre schockierenden Bilder und Zeugnisse lösten weltweit Empörung und Bestürzung aus. Sie führten auch dazu, dass die Vereinten Nationen eine Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Bosnien-Herzegowina einleiteten. Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) wurde gegründet, um die Verantwortlichen für das Massaker und andere Kriegsverbrechen zu verfolgen und zu bestrafen.

Bis heute leidet die Region um Prijedor unter den Folgen des Massakers. Viele Überlebende sind traumatisiert oder vertrieben worden. Die ethnischen Spannungen sind immer noch hoch. Die Versöhnung zwischen den verschiedenen Gruppen ist schwierig und langwierig. Die Gerechtigkeit ist unvollständig und unzureichend. Viele Täter sind noch auf freiem Fuß oder wurden nur mild bestraft. Viele Opfer sind noch nicht identifiziert oder bestattet worden.

Das Massaker von Prijedor ist eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Europas. Es ist ein Beispiel für die Grausamkeit und den Wahnsinn des Krieges. Es ist aber auch ein Beispiel für den Mut und die Würde der Opfer, die sich nicht unterkriegen ließen. Es ist eine Mahnung an die Welt, dass solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit nie wieder geschehen dürfen. Es ist eine Erinnerung an die Pflicht, die Wahrheit zu suchen, die Gerechtigkeit zu fördern und den Frieden zu bewahren.

Quelle

: Human Rights Watch, “Bosnia and Herzegovina: The Fall of Srebrenica and the Failure of UN Peacekeeping”, 1995, [Online]. : International Commission on Missing Persons, “Prijedor”, [Online]. : BBC News, “Bosnia mass grave found near Prijedor”, 2013, [Online].

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