Katastrophen der Menschheit: Flugschau-Unglück von Ramstein 28.08.1988

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Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.

Es sollte ein spektakuläres Ereignis werden, das die Zuschauer mit atemberaubenden Manövern und farbenfrohen Rauchspuren begeistern würde. Doch der Flugtag auf der US-Luftwaffenbasis Ramstein in der Pfalz endete in einer Tragödie, die bis heute als eines der schwersten Flugtagunglücke der Geschichte gilt. Am 28. August 1988 kollidierten drei Kunstflugmaschinen der italienischen Staffel Frecce Tricolori (Die Dreifarbigen Pfeile) in der Luft und stürzten in die Menschenmenge. Dabei kamen 70 Menschen ums Leben, darunter ein ungeborenes Kind und ein US-Hubschrauberpilot, der drei Wochen später seinen Verletzungen erlag. Etwa 1000 Menschen wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Das Unglück hatte weitreichende Folgen für die Organisation des Rettungswesens, die Opfer- und Helfernachsorge sowie die Durchführung von Flugschauen in Deutschland, Europa und den USA.

Der Ablauf des Unglücks

Der Flugtag auf der Ramstein Air Base war eine jährliche Veranstaltung, die seit den 1950er Jahren stattfand und mehrere hunderttausend Besucher anzog. An diesem Sonntag im August 1988 war das Wetter heiß und sonnig, die Stimmung ausgelassen. Die Zuschauer hatten sich entlang des Rollfelds versammelt, um die Vorführungen verschiedener Kampfjets und Kunstflugstaffeln zu verfolgen. Gegen Ende der Veranstaltung trat die Frecce Tricolori auf, eine renommierte italienische Kunstflugstaffel, die aus zehn Militärflugzeugen vom Typ Aermacchi MB-339 bestand. Die Maschinen waren von Pony 1 bis Pony 10 durchnummeriert und flogen in verschiedenen Formationen.

Das Unglück ereignete sich während des letzten Manövers, das als Il Cardioide (Das Herz) bekannt war. Dabei sollten neun Maschinen ein Herz in den Himmel zeichnen, während die zehnte Maschine als Solist durch das Herz fliegen sollte. Die neun Maschinen flogen zunächst in einer V-Formation nach links und begannen dann einen Bogen nach rechts zu beschreiben, um das Herz zu formen. Der Solist flog von rechts nach links auf das Herz zu. Dabei kam es zu einer fatalen Fehleinschätzung: Der Solist flog zu tief und zu schnell, während die neun anderen Maschinen zu hoch und zu langsam waren. In einer Höhe von etwa 40 Metern über dem Boden kollidierte der Solist mit zwei anderen Maschinen, die den unteren Teil des Herzens bildeten.

Durch den Zusammenstoß zerbrachen die drei Flugzeuge in mehrere Teile, die teilweise in Brand gerieten. Eines der Flugzeuge stürzte direkt vor den Zuschauern ab und rutschte brennend über das Rollfeld ins Publikum. Ein anderes Flugzeug traf einen in Notfallbereitschaft stehenden Hubschrauber, der ebenfalls explodierte. Das dritte Flugzeug stürzte hinter den Zuschauern ab und verfehlte nur knapp eine Tankstelle. Die anderen sieben Maschinen konnten unbeschadet landen.

Die Kollision und der Absturz lösten eine Panik unter den Zuschauern aus, die versuchten, sich vor dem Feuer und den herumfliegenden Trümmern zu schützen oder zu fliehen. Viele Menschen wurden von den Flugzeugteilen getroffen oder verbrannt, andere wurden niedergetrampelt oder erstickten im Rauch. Einige Zuschauer versuchten, den Verletzten zu helfen oder sie aus dem Gefahrenbereich zu bringen.

Die Rettungsmaßnahmen

Die Rettungsmaßnahmen gestalteten sich schwierig und chaotisch. Die US-Streitkräfte, die für die Sicherheit auf der Air Base zuständig waren, reagierten zunächst zögerlich und unkoordiniert. Sie sperrten das Gelände ab, um eine mögliche Gefährdung der Militäranlagen zu vermeiden, und verweigerten den deutschen Rettungskräften zunächst den Zutritt. Erst nach einer halben Stunde wurde die Sperrung aufgehoben und die Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden ermöglicht.

Die deutschen Rettungskräfte waren jedoch ebenfalls überfordert und unvorbereitet. Es gab kein einheitliches Führungssystem, keine klare Sichtung der Verletzten und keine ausreichende Kommunikation zwischen den verschiedenen Einsatzkräften. Die Zahl der Verletzten überstieg die Kapazitäten der vorhandenen Rettungsmittel und Krankenhäuser bei weitem. Viele Verletzte mussten lange auf eine Versorgung warten oder wurden in weit entfernte Kliniken transportiert. Die medizinischen Notfallsysteme waren nicht auf eine solche Massenkatastrophe ausgelegt.

Auch die Telefonnetze waren überlastet, da viele Menschen versuchten, ihre Angehörigen zu erreichen oder Informationen zu erhalten. Die Medien berichteten teilweise widersprüchlich oder spekulativ über das Unglück, was zu Verwirrung und Angst führte.

Die Opfer

Die Opfer des Flugtagunglücks von Ramstein waren zum größten Teil Zivilisten, die als Besucher oder Helfer an dem Flugtag teilgenommen hatten. Unter den 70 Todesopfern waren 67 Deutsche, zwei US-Amerikaner und ein Italiener. Unter den etwa 1000 Verletzten waren 346 Deutsche, 311 US-Amerikaner, 44 Italiener, 22 Briten, 12 Franzosen und 10 Kanadier. Die meisten Opfer waren zwischen 20 und 40 Jahre alt, aber es gab auch Kinder und ältere Menschen unter ihnen.

Die Opfer erlitten zum Teil schwere Verbrennungen, Knochenbrüche, innere Verletzungen oder psychische Traumata. Viele von ihnen mussten mehrfach operiert werden oder leiden bis heute unter den Folgen des Unglücks. Einige Opfer starben erst Wochen oder Monate später an ihren Verletzungen oder an den Folgen von Infektionen.

Die Entschädigung und Nachsorge für die Opfer gestaltete sich ebenfalls kompliziert und langwierig. Die US-Regierung lehnte zunächst jede Haftung ab und verwies auf die italienische Staffel als Verursacher des Unglücks. Die italienische Regierung bot den Opfern eine pauschale Entschädigung von 100 Millionen Lire (etwa 50.000 Euro) an, die jedoch von vielen als unzureichend abgelehnt wurde. Erst nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen wurden höhere Summen ausgezahlt, die jedoch je nach Nationalität der Opfer variierten.

Die psychologische Betreuung der Opfer und der Helfer war ebenfalls ungenügend. Viele Betroffene litten unter posttraumatischen Belastungsstörungen, Depressionen oder Angstzuständen. Es gab kaum professionelle Hilfe oder Beratungsangebote für sie. Viele fühlten sich allein gelassen oder vergessen.

Die Gedenken an die Opfer des Flugtagunglücks von Ramstein fanden sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern statt. In Ramstein wurde ein Mahnmal errichtet, das aus einem großen Kreuz und einer Gedenktafel besteht. Jedes Jahr findet dort eine Gedenkfeier statt, an der Angehörige, Überlebende, Helfer und Vertreter der Politik teilnehmen. Auch in anderen Städten wurden Gedenksteine oder -tafeln aufgestellt oder Gottesdienste abgehalten.

Die Folgerungen

Das Flugtagunglück von Ramstein hatte weitreichende Folgen für die Organisation des Rettungswesens, die Opfer- und Helfernachsorge sowie die Durchführung von Flugschauen in Deutschland, Europa und den USA.

Im Bereich der Opfer- und Helfernachsorge wurden verschiedene Initiativen gegründet, um die Betroffenen des Unglücks zu unterstützen und zu begleiten. Dazu gehörten unter anderem die Gründung der Selbsthilfegruppe Ramstein 88, die Beratung und Betreuung der Opfer und Helfer anbot, die Einrichtung einer psychosozialen Notfallversorgung, die professionelle Hilfe bei akuten oder chronischen Traumata leistete, und die Schaffung eines Fonds für die Entschädigung der Opfer, der aus Spenden und staatlichen Mitteln gespeist wurde. Auch die US-Regierung entschuldigte sich schließlich für das Unglück und bot den Opfern eine zusätzliche Entschädigung an.

Im Bereich der Flugschauen wurden ebenfalls verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit zu erhöhen und ähnliche Unglücke zu vermeiden. Dazu gehörten unter anderem die Verschärfung der Sicherheitsvorschriften und Genehmigungsverfahren für Flugschauen, die Erhöhung der Mindestflughöhe und der Sicherheitsabstände zwischen den Flugzeugen und dem Publikum, die Einführung von Fluglotsen und Flugunfalluntersuchern bei jeder Flugschau, die Verbesserung der technischen Überprüfung und Wartung der Flugzeuge, die Einschränkung oder Abschaffung bestimmter riskanter Manöver, die Sensibilisierung und Schulung der Piloten und Veranstalter für mögliche Gefahrensituationen, und die Erstellung von Notfallplänen für den Fall eines Unfalls.

Das Flugtagunglück von Ramstein war eine Katastrophe, die viele Menschenleben kostete und viele weitere Menschen traumatisierte. Es war aber auch ein Anlass, aus den Fehlern zu lernen und Verbesserungen in verschiedenen Bereichen anzustoßen. Das Gedenken an die Opfer ist eine Mahnung, dass solche Unglücke nie wieder passieren dürfen.

Ein Überlebender:

“Kein Traum, und das habe ich von Anfang an genau gewusst, war dieser Sonntag, der für uns – meine fünfjährige Tochter Nadine, meine Frau Carmen und mich – so begann wie viele Sonntage. Wir machten uns frühmorgens auf, um irgendwo irgendetwas zu erleben. An diesem Sonntag war es der Flugtag in Ramstein. Volksfeststimmung, amerikanisches Eis, Hamburger, Pommes und als besondere Attraktion die Flugzeuge. Der Vormittag entsprach unseren Erwartungen. Das Wetter wurde sehr schön. Trotz der vielen Menschen herrschte eine angenehme Atmosphäre.  

Für die meisten Menschen und auch für uns war sie sehr beeindruckend. Damals war es noch ein Erlebnis, diese großen stählernen Dinger so nah zu sehen. Für mich stellte sich zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht die Frage, welches Unheil solche Maschinen anrichten können. Kurz vor Ende der Vorstellung, also zu dem Zeitpunkt, als die italienische Flugstaffel angesagt wurde, beschlossen wir, schon unser Auto aufzusuchen, um später nicht in den Stau zu kommen. So gingen wir nach links Richtung Tower, um von dort auf den Parkplatz zu gelangen. Die Flugvorführungen waren in vollem Gange. Wir schauten während des Gehens ab und zu hoch in den Himmel.

Durch die Menschenmassen wurden wir mal etwas vor-, dann wieder ein Stück zurückgedrängt. Wir hatten unsere kleine Nadine in die Mitte genommen und hielten sie jeder an einer Hand. Wir blieben immer wieder kurz stehen, um noch einmal etwas zu sehen. Auch als die Italiener ihr „Durchstoßenes Herz“ flogen, drehte ich mich gerade um. Zu Carmen sagte ich noch: „Schau mal“.

Carmen hatte nicht mehr die Zeit sich ganz umzudrehen. Ich sah Feuer und Trümmerteile. Aber erst, als eines der Flugzeuge direkt auf uns zuflog, begriff ich die Gefahr. „Das war keine Show mehr!“ Ich schrie noch: “ Renn!“, aber Carmen schaute mich nur mit großen Augen an, so, als wollte sie sagen, „es reicht ja doch nicht mehr“. 

Sie brachte nur noch ein abgehacktes „Au“ über die Lippen, dabei wurde sie von einem großen Trümmerteil am Kopf getroffen, der unnatürlich nach vorne abknickte. Das war das letzte, was ich von ihr sah. “ Das kann doch nicht wahr sein!“ Im gleichen Augenblick wurde ich ebenfalls von einem Teil getroffen und durch die Druckwelle einige Meter nach hinten weggeschleudert.

Ich fiel mit dem Gesicht zu Boden. Während des Sturzes spürte ich, dass mein ganzer Körper nassgespritzt wurde. Es war Kerosin, das sich sogleich entzündete. Ich lag brennend am Boden. Beim Versuch aufzustehen merkte ich, dass ein großes Metallstück auf meinem Unterkörper lag. Ein Bein war frei, mit dem ich mich unter dem Trümmerstück selbst hervorschieben konnte. 

Das Teil selbst bewegte sich keinen Zentimeter, dazu war es zu schwer und zu groß. Als ich es geschafft hatte aufzustehen, sah ich mich um. Es lagen viele Tote und Verletzte herum. Viele waren schwarz verkohlt, andere brannten noch. 

Was ich sah und hörte, war unbeschreiblich grausam. Beim Aufstehen merkte ich auch, dass etwas Nasses von meinen Armen, meinem Rücken und meinem Gesicht hing. Ich dachte, es wäre irgendein Kleidungsstück oder ein Fetzen von einem Tuch, daß mir vielleicht jemand übergeworfen hätte, um die Flammen zu löschen. 

Ich zog daran, um es von mir zu werfen. Aber es war meine Haut, die, je mehr ich daran zog, immer länger wurde. Außerdem fügte ich mir auf diese Art höllische Schmerzen zu.

Ich versuchte sofort auszumachen, wo wir zuletzt gestanden hatten. Nadine fand ich gleich. Sie lag am Boden auf dem Bauch. Ihre langen blonden Haare waren teils weggebrannt. 

Ihr Gesicht, ihre Hände und Arme waren verbrannt. Ich hörte sie schreien. Ihre Kleider brannten noch teilweise. Es war unfassbar. Ich wälzte sie auf dem Boden, versuchte, die Flammen mit meinen Händen zu ersticken, und rief immer wieder um Hilfe. 

Aber viele standen herum, waren zu schockiert um zu helfen. Wieder andere liefen verwirrt in der Gegend umher.

Gegen die Flammen hatte ich mit bloßen Händen kaum eine Chance. So gelang es mir nur mit großer Mühe, die Flammen etwas einzudämmen zumal meine Hände dabei auch wieder Feuer fingen. Zwischendurch hielt ich immer wieder Ausschau nach Carmen. 

Unter den vielen Verbrannten war sie aber nicht zu erkennen, weil alles schwarz war und man sich somit auch nicht an Kleidungsstücken orientieren konnte. Manche lagen am Boden und schauten mich nur an, ohne etwas zu sagen oder sich zu bewegen. In den schwarzen, verkohlten Gesichtern konnte man kein Leben mehr erkennen. Die Tatsache, dass unter ihnen vielleicht auch Carmen war und ich sie nicht erkennen konnte brachte mich fast um den Verstand.

Ich versuchte mich auf Nadine zu konzentrieren, hob sie auf und drückte sie an mich, weil ihre Kleidung immer noch etwas brannte. Sie hörte nicht auf zu schreien.

Plötzlich kamen ein paar Amerikaner, ich weiß nicht, ob Soldaten oder Zivilisten, die mich festhielten, während einer von ihnen mir meine Tochter wegnahm und einfach fortlief. Ich versuchte mit aller Kraft mich loszureißen, doch die zwei die mich festhielten, waren stärker. Das letzte, was ich von Nadine sah waren ihre Arme, die sie nach mir ausstreckte. Ich wurde dann wohl bewusstlos.”

Soweit die Schilderungen des Überlebenden, bedauerlicherweise überlebte seine Tochter Nadine als auch seine Frau das Unglück nicht und verstarben etwas später.

Falls Sie die vollständige Schilderung dieses Zeitzeugen zum Ereignis lesen möchten:

http://www.ramstein-1988.de/14101.html

Quellen

  • Flugtagunglück von Ramstein – Wikipedia1: Diese Quelle bietet einen umfassenden Überblick über das Unglück, seine Ursachen, Folgen und Gedenken. Sie enthält auch viele Details, Zahlen und Fakten, die mit anderen Quellen abgeglichen wurden. Sie ist jedoch nicht immer aktuell oder vollständig und kann Fehler oder Ungenauigkeiten enthalten.

  • Flugtagsunglück: SWR-Reporter ware 1988 auf Airbase Ramstein – SWR Aktuell2: Diese Quelle ist ein Interview mit einem SWR-Reporter, der das Unglück vor Ort miterlebte und darüber berichtete. Er schildert seine persönlichen Eindrücke, Gefühle und Erinnerungen an den Tag. Er gibt auch einen Einblick in die damalige Medienlandschaft und die Herausforderungen der Berichterstattung. Diese Quelle ist authentisch und emotional, aber auch subjektiv und nicht repräsentativ für alle Beteiligten.

  • Augenzeuge von Ramstein-Katastrophe | Michael Docke: „Das ist … – SWR13: Diese Quelle ist ein weiteres Interview mit einem Augenzeugen, der als Zuschauer das Unglück überlebte. Er beschreibt die dramatischen Szenen, die er sah, und wie er versuchte, anderen zu helfen. Er erzählt auch, wie er mit den Folgen des Unglücks umging und wie er heute darüber denkt. Diese Quelle ist ebenfalls authentisch und emotional, aber auch subjektiv und nicht repräsentativ für alle Beteiligten.

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