Vergessene Genozide – der Völkermord an den Darfuris 2003 – dato

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Genozide sind die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die je begangen wurden. Sie zeugen von Hass, Intoleranz und Grausamkeit gegenüber bestimmten Gruppen von Menschen, die aufgrund ihrer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt und vernichtet werden sollen. Doch nicht alle Genozide sind gleich bekannt oder anerkannt. Viele von ihnen sind vergessen oder verdrängt worden, sowohl von den Tätern als auch von der Weltöffentlichkeit. In dieser Artikelreihe wollen wir einige dieser vergessenen Genozide vorstellen und ihre Ursachen, Folgen und Aufarbeitung beleuchten.

Der Dafurkonflikt im Sudan

Der Völkermord an den Darfuris ist eines der schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das im 21. Jahrhundert begangen wurde. Seit 2003 werden die schwarzafrikanischen Bewohner der Region Darfur im Westen des Sudan systematisch verfolgt, vertrieben und getötet von der arabisch-dominierten Regierung in Khartum und ihren verbündeten Milizen, den Janjaweed. Die internationale Gemeinschaft hat versagt, die Zivilbevölkerung zu schützen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Bis heute leiden Millionen von Menschen unter den Folgen des Konflikts, der auch auf die Nachbarländer Tschad und Zentralafrikanische Republik übergegriffen hat.

Die Wurzeln des Konflikts

Darfur ist eine Region von etwa 500.000 Quadratkilometern, die etwa ein Fünftel der Fläche des Sudan ausmacht. Sie ist in drei Bundesstaaten unterteilt: Nord-, Süd- und West-Darfur. Die Bevölkerung besteht aus etwa 80 verschiedenen ethnischen Gruppen, die sich in zwei Hauptkategorien einteilen lassen: die arabischen Nomaden, die vor allem Viehzucht betreiben, und die schwarzafrikanischen Bauern, die vor allem Ackerbau betreiben. Die beiden Gruppen leben seit Jahrhunderten zusammen, aber auch in Konkurrenz um knappe Ressourcen wie Land und Wasser.

Die Region wurde seit der Unabhängigkeit des Sudan im Jahr 1956 von der Zentralregierung vernachlässigt und marginalisiert. Die Bewohner von Darfur hatten kaum Zugang zu Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und politischer Partizipation. Sie litten unter Armut, Dürre und Umweltzerstörung. Im Jahr 1989 kam Umar al-Baschir durch einen Militärputsch an die Macht und führte eine islamistische Diktatur ein, die den arabischen Nationalismus förderte und die ethnische und religiöse Vielfalt des Landes unterdrückte. Er führte einen langen Bürgerkrieg gegen die Rebellen im Süden des Sudan, der erst 2005 mit einem Friedensabkommen beendet wurde.

Der Ausbruch der Gewalt

Im Jahr 2003 erhoben sich zwei schwarzafrikanische Rebellengruppen in Darfur gegen die Regierung: die Sudan Liberation Army (SLA) und die Justice and Equality Movement (JEM). Sie forderten mehr Autonomie, Gerechtigkeit und Entwicklung für ihre Region. Die Regierung reagierte mit einer brutalen Gegenoffensive, bei der sie nicht nur die Rebellen bekämpfte, sondern auch gezielt die Zivilbevölkerung angriff. Sie setzte ihre eigene Armee und Luftwaffe ein, aber auch arabische Milizen, die als Janjaweed bekannt wurden. Diese waren bewaffnet und finanziert von der Regierung und führten eine Kampagne des Terrors gegen die schwarzafrikanischen Dörfer. Sie plünderten, brannten, vergewaltigten und töteten systematisch die Bewohner, um sie aus ihrer Heimat zu vertreiben.

Die Vereinten Nationen schätzen, dass seit dem Beginn des Konflikts bis zu 300.000 Menschen getötet wurden und mehr als 2,5 Millionen Menschen vertrieben wurden. Die meisten von ihnen leben in Flüchtlingslagern im Sudan oder in den Nachbarländern, wo sie unter prekären Bedingungen leiden und weiterhin bedroht sind. Viele Menschen sind auch innerhalb von Darfur vertrieben worden oder haben sich in schwer zugänglichen Gebieten versteckt. Die humanitäre Situation ist katastrophal: Millionen von Menschen sind auf Hilfe angewiesen, leiden unter Hunger, Krankheiten und Gewalt.

Die internationale Reaktion

Die internationale Gemeinschaft hat lange Zeit zögerlich auf den Konflikt reagiert. Erst im Jahr 2004 erklärte der damalige US-Außenminister Colin Powell, dass es sich um einen Völkermord handele. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete mehrere Resolutionen, um ein Ende der Gewalt zu fordern, Sanktionen zu verhängen und eine Friedensmission zu autorisieren. Die Afrikanische Union (AU) entsandte eine Beobachtermission, die später zu einer Friedenstruppe ausgebaut wurde. Im Jahr 2007 wurde die United Nations-African Union Mission in Darfur (UNAMID) eingerichtet, die bis heute die größte UN-Friedensmission der Welt ist. Sie hat jedoch nicht das Mandat oder die Kapazität, um die Zivilbevölkerung effektiv zu schützen.

Im Jahr 2009 erließ der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) einen Haftbefehl gegen den sudanesischen Präsidenten al-Baschir wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Er ist der erste amtierende Staatschef, der vom IStGH angeklagt wurde. Er weigerte sich jedoch, sich dem Gericht zu stellen und reiste weiterhin in verschiedene Länder, die ihn nicht festnahmen. Er wurde erst im April 2019 nach einem weiteren Militärputsch verhaftet und abgesetzt. Er befindet sich derzeit in einem Gefängnis in Khartum, wo er auch wegen anderer Vergehen vor einem nationalen Gericht steht.

Die Aussichten auf Frieden

Seit dem Sturz von al-Baschir befindet sich der Sudan in einem politischen Umbruch. Eine Übergangsregierung aus Militärs und Zivilisten wurde gebildet, die das Land innerhalb von drei Jahren zu einer Demokratie führen soll. Sie hat mehrere Friedensabkommen mit verschiedenen Rebellengruppen geschlossen, darunter auch mit einigen aus Darfur. Diese Abkommen sehen unter anderem eine Machtteilung, eine Sicherheitsreform, eine Entschädigung für die Opfer und eine Rückkehr der Vertriebenen vor.

Sie wurden jedoch von einigen Gruppen abgelehnt oder nur teilweise umgesetzt. Die Sicherheitslage in Darfur bleibt angespannt: Es gibt immer noch sporadische Kämpfe zwischen verschiedenen bewaffneten Akteuren, darunter auch zwischen den Janjaweed und den Regierungstruppen. Die humanitären Bedürfnisse sind nach wie vor enorm: Die UNAMID hat ihr Mandat Ende 2020 beendet und wurde durch eine politische Mission ersetzt, die keine Schutzfunktion hat.

Der Völkermord an den Darfuris ist ein dunkles Kapitel in der Geschichte des Sudan und der Welt. Er hat unzählige Menschenleben gekostet und unermessliches Leid verursacht. Er hat auch tiefe Wunden in der Gesellschaft hinterlassen, die schwer zu heilen sind. Der Weg zum Frieden und zur Versöhnung ist lang und steinig. Er erfordert den politischen Willen aller Beteiligten, den Respekt für die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht, die Rechenschaftspflicht für die Täter und die Gerechtigkeit für die Opfer. Er erfordert auch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, die nicht vergessen darf, was in Darfur geschehen ist.

Quellen:

1 Der Darfur-Konflikt (2003 -) – Genocide Alert 2 Hintergrund der Darfurkrise – Gesellschaft für bedrohte Völker 3 Völkermord in Darfur – Darfur genocide – abcdef.wiki 4 Darfur-Konflikt – Wikipedia 5 UN: Sudan steuert auf humanitäre Katastrophe zu – DW – 25.08.2023 6 Sudan – Wikipedia

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