Vergessene Genozide – der Völkermord in Kambodscha 1975 – 1979

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Genozide sind die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die je begangen wurden. Sie zeugen von Hass, Intoleranz und Grausamkeit gegenüber bestimmten Gruppen von Menschen, die aufgrund ihrer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt und vernichtet werden sollen. Doch nicht alle Genozide sind gleich bekannt oder anerkannt. Viele von ihnen sind vergessen oder verdrängt worden, sowohl von den Tätern als auch von der Weltöffentlichkeit. In dieser Artikelreihe wollen wir einige dieser vergessenen Genozide vorstellen und ihre Ursachen, Folgen und Aufarbeitung beleuchten.

Kambodscha ist ein südostasiatisches Land, das für seine reiche Kultur, seine antiken Tempel und seine freundlichen Menschen bekannt ist. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich eine dunkle Seite der Geschichte, die bis heute Narben hinterlässt: der Völkermord in Kambodscha, der zwischen 1975 und 1979 unter der Herrschaft der Roten Khmer stattfand.

Die Roten Khmer waren eine kommunistische Guerillabewegung, die von Pol Pot angeführt wurde, einem ehemaligen Lehrer, der sich zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei Kampucheas ernannte. Pol Pot hatte eine radikale Vision für Kambodscha: Er wollte das Land in eine völlig autarke agrarsozialistische Gesellschaft verwandeln, die frei von ausländischem Einfluss, moderner Technologie und intellektueller Bildung war. Er glaubte, dass die Landbevölkerung, die er als “alte Menschen” bezeichnete, die wahre Basis des kambodschanischen Volkes sei, während die Stadtbewohner, die er als “neue Menschen” bezeichnete, als Klassenfeinde und Verräter angesehen wurden.

Um seine Utopie zu verwirklichen, führte Pol Pot einen brutalen Feldzug gegen sein eigenes Volk. Nachdem die Roten Khmer im April 1975 die Hauptstadt Phnom Penh erobert hatten, begannen sie sofort mit der Evakuierung der gesamten städtischen Bevölkerung.

Millionen von Menschen wurden gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und zu Fuß in ländliche Gebiete zu marschieren, wo sie in kollektiven Bauernhöfen arbeiten mussten. Viele starben auf dem Weg an Erschöpfung, Hunger oder Krankheiten. Diejenigen, die überlebten, wurden einer harten Zwangsarbeit unterworfen, die oft mehr als 12 Stunden am Tag dauerte.

Sie erhielten nur minimale Nahrung und medizinische Versorgung. Sie durften kein Eigentum besitzen, keine Religion ausüben, keine Familienbeziehungen pflegen oder sich frei äußern. Jeder Verdacht auf Widerstand oder Ungehorsam wurde mit Folter oder Tod bestraft.

Die Roten Khmer verfolgten auch systematisch alle Menschen, die sie als Bedrohung für ihre Ideologie ansahen. Dazu gehörten Intellektuelle, Künstler, Lehrer, Ärzte, Ingenieure, Mönche, Muslime, Christen, Buddhisten und ethnische Minderheiten wie Vietnamesen, Chinesen und Cham. Sie wurden verhaftet und in geheime Gefängnisse gebracht, wo sie grausamen Verhören und Folterungen unterzogen wurden.

Die meisten von ihnen wurden schließlich in den sogenannten Killing Fields hingerichtet: Massengräber am Rande der Städte oder in abgelegenen Gebieten. Die Roten Khmer töteten ihre Opfer oft mit primitiven Waffen wie Stöcken, Messern oder Hacken, um Munition zu sparen. Sie schlugen ihnen den Schädel ein oder schnitten ihnen die Kehle durch. Manchmal wurden sie lebendig begraben oder verbrannt. Die Roten Khmer dokumentierten ihre Verbrechen akribisch: Sie machten Fotos von ihren Gefangenen vor und nach der Folter und führten detaillierte Listen ihrer Namen und Todesursachen.

Der Völkermord in Kambodscha endete erst im Januar 1979, als vietnamesische Truppen in das Land einmarschierten und die Roten Khmer von der Macht vertrieben. Die vietnamesische Intervention war jedoch nicht nur humanitär motiviert: Vietnam hatte einen langjährigen Konflikt mit Kambodscha wegen territorialer Ansprüche und befürchtete eine Ausbreitung des Pol-Pot-Regimes in der Region.

Die Roten Khmer zogen sich in den Dschungel zurück und führten einen Guerillakrieg gegen die vietnamesisch unterstützte Regierung von Hun Sen, der bis heute an der Macht ist. Erst 1998 starb Pol Pot an einem Herzinfarkt in seinem Versteck. Viele seiner Anhänger ergaben sich oder wurden begnadigt. Nur wenige wurden vor Gericht gestellt und verurteilt.

Die genaue Zahl der Opfer des Völkermords in Kambodscha ist schwer zu ermitteln. Schätzungen variieren zwischen 750.000 und mehr als 2 Millionen Menschen, die etwa ein Viertel der damaligen Bevölkerung ausmachten. Die Überlebenden leiden bis heute unter den physischen und psychischen Folgen der Gewalt. Viele haben ihre Familien, Freunde und Angehörigen verloren. Viele haben traumatische Erinnerungen, die sie nicht loslassen. Viele haben Schwierigkeiten, sich in die Gesellschaft zu integrieren oder eine stabile Zukunft aufzubauen. Viele haben kein Vertrauen in die Politik oder die Justiz, die von Korruption, Repression und Straflosigkeit geprägt sind.

Der Völkermord in Kambodscha ist eine der schlimmsten Tragödien der Menschheitsgeschichte. Er zeigt, wie ein totalitäres Regime einen ganzen Staat in einen Albtraum verwandeln kann. Er zeigt, wie ein fanatischer Führer seine Anhänger zu Massenmördern machen kann. Er zeigt, wie eine ganze Nation zum Opfer von Hass, Angst und Wahnsinn werden kann.

Quellen:

1 Genozid in Kambodscha – Wikipedia

2 Kambodscha | Kriege und Konflikte | bpb.de

3 Völkermord in Kambodscha – gaz.wiki

4 Völkermord in Kambodscha – Wikibrief

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