Kultur, Erlebnis und Vielfalt: Neues aus München – „Rechter“ Anschlag im Einkaufscentrum

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Wir leben in einer bunten Welt, in der wir jeden Tag Neues entdecken und erleben. Wir begegnen fremden Kulturen mit Neugier und Respekt, lernen von ihren Lebensweisen und künstlerischen Schätzen. Wir heißen Menschen aus anderen Ländern willkommen, weil wir sie als Bereicherung für unsere Gesellschaft sehen. Deutschland ist ein Land der Offenheit und des Miteinanders. Und wir werden auch den offen gelebten Neuerungen gegenüber aufgeschlossen bleiben.

Am 22. Juli 2016 erschütterte ein rechtsextremer Anschlag die bayerische Landeshauptstadt München. Ein 18-jähriger Deutsch-Iraner namens David Sonboly tötete am und im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) im Stadtbezirk Moosach neun Menschen und verletzte fünf weitere durch Schüsse. Sieben der neun Todesopfer waren Muslime, eines war ein Rom und eines ein Sinto. Der Täter erschoss sich anschließend selbst vor den Augen der Polizei. Die Tat gilt als einer der blutigsten rassistisch motivierten Terrorakte der neueren deutschen Geschichte.

Der Tathergang

Der Anschlag begann gegen 17:50 Uhr, als Sonboly in einem McDonald’s-Restaurant gegenüber dem Haupteingang des OEZ das Feuer auf eine Gruppe Jugendlicher eröffnete, die er zuvor über Facebook unter falschem Namen angelockt hatte. Er schoss mit einer Pistole, die er sich illegal im Darknet besorgt hatte, und tötete sechs Kinder und Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren. Ein 13-Jähriger überlebte schwer verletzt. Die Opfer hatten einen türkischen, griechischen, kosovarischen oder albanischen Migrationshintergrund.

Sonboly verließ das Schnellrestaurant und schoss auf weitere Menschen, die vor dem OEZ flüchteten oder sich dort aufhielten. Er tötete einen 17-jährigen Türken vor einer Tiefgarage und eine 45-jährige Rumänin auf dem Gehweg. Er betrat das Einkaufszentrum und schoss dort auf eine 20-jährige Türkin in der Nähe einer Rolltreppe. Er verletzte außerdem einen 15-jährigen Afghanen, einen 17-jährigen Türken, einen 19-jährigen Griechen und einen 61-jährigen Rumänen.

Die Polizei traf kurz nach Beginn des Anschlags am Tatort ein und lieferte sich mehrere Schusswechsel mit Sonboly, der sich jedoch nicht stellen wollte. Er flüchtete auf das Parkdeck des OEZ und schoss von dort aus auf Anwohner und Passanten. Er traf dabei niemanden, verletzte aber einen Polizisten durch Glassplitter. Er versteckte sich dann im Fahrradabstellraum eines Wohnhauses in der Nähe des Einkaufszentrums.

In der Zwischenzeit löste der Anschlag eine Welle von Panik und Falschmeldungen in der ganzen Stadt aus. Es kursierten Gerüchte über weitere Schießereien an anderen Orten wie dem Stachus, dem Hauptbahnhof oder dem Marienplatz. Die Polizei rief die Bevölkerung dazu auf, sich in Sicherheit zu bringen und keine Spekulationen zu verbreiten. Der öffentliche Nahverkehr wurde teilweise eingestellt oder umgeleitet. Viele Menschen suchten Schutz in Geschäften, Restaurants oder Privatwohnungen.

Gegen 20:30 Uhr verließ Sonboly das Wohnhaus und wurde von einer Polizeistreife entdeckt. Er lief in die Henckystraße und wurde dort von den Beamten gestellt. Er rief dabei mehrmals “Ich bin Deutscher” und “Scheiß Ausländer”. Er feuerte noch einmal auf die Polizisten, die zurück schossen, ihn aber nicht trafen. Dann richtete er sich selbst mit einem Kopfschuss.

Die Ermittlungen

Die Ermittlungen zu dem Anschlag zogen sich über drei Jahre hin. Die Staatsanwaltschaft München I und das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) stellten fest, dass Sonboly allein gehandelt hatte und keinen Kontakt zu anderen rechtsextremen Gruppen oder Personen hatte. Sie fanden jedoch heraus, dass er eine rechtsextreme Gesinnung hatte und sich intensiv mit anderen Amokläufern wie Anders Breivik oder Tim Kretschmer beschäftigt hatte. Er hatte auch Bücher über Hitler, den Nationalsozialismus und den Holocaust in seinem Besitz.

Die Ermittler kamen zunächst zu dem Schluss, dass Sonboly aus Rache gehandelt hatte, weil er jahrelang von Mitschülern gemobbt und körperlich misshandelt worden war. Er habe Zuwanderer mit südosteuropäischem Migrationshintergrund für sein Leiden verantwortlich gemacht, so das LKA. Die persönliche Kränkung des 18-Jährigen und nicht dessen Ideologie habe bei der Tat im Vordergrund gestanden, hieß es in dem 2017 veröffentlichten Abschlussbericht.

Diese Einschätzung wurde jedoch von vielen Seiten kritisiert, vor allem von den Angehörigen der Opfer, die eine Anerkennung des rassistischen Motivs forderten. Sie wurden dabei von mehreren Experten und Politikern unterstützt, die darauf hinwiesen, dass Sonboly gezielt Menschen mit Migrationshintergrund ausgewählt und getötet hatte. Auch die Wahl des Datums, der fünfte Jahrestag des Anschlags von Breivik in Norwegen, der 77 Menschen ermordet hatte, spreche für eine politische Motivation.

Im Oktober 2019 revidierten die Ermittlungsbehörden sowie der Bayerische Verfassungsschutz ihre Bewertung und stuften die Tat als politisch motiviert im Sinne des Definitionssystems PMK (Politisch motivierte Kriminalität) ein. Sie erklärten, dass es “gerechtfertigt” sei, “von einer politischen Motivation im Sinne einer rechtsextremistischen Weltanschauung zu sprechen”. Damit wurde der Anschlag offiziell als rechtsextremer Terrorakt anerkannt.

Das Landgericht München I hatte den Anschlag bereits Anfang 2018 in einer Reihe mit anderen rechtsextremistischen Taten wie den NSU-Morden, dem Oktoberfestattentat oder dem Brandanschlag von Mölln eingestuft. Auch das Bundesjustizamt beurteilte die Tat im März 2018 als “rechtsextremistisch motiviert”. Zuvor hatten bereits drei von der Stadt München beauftragte wissenschaftliche Gutachter unabhängig voneinander sie als “politisch motivierte, rechte Tat” eingeordnet, die folglich im Verfassungsschutzbericht aufzuführen sei.

Die Reaktionen

Der Anschlag löste eine Welle von Trauer, Anteilnahme und Solidarität in München und ganz Deutschland aus. Am Tag nach der Tat versammelten sich Tausende von Menschen am OEZ und an anderen Orten, um der Opfer zu gedenken und Kerzen, Blumen oder Plüschtiere niederzulegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach den Angehörigen ihr Beileid aus und verurteilte die Tat als “einen Akt des Hasses”. Sie versprach, alles zu tun, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.

Auch viele internationale Politiker und Persönlichkeiten drückten ihr Mitgefühl aus. Der damalige US-Präsident Barack Obama bot Deutschland seine Unterstützung an und lobte die “Stärke” und “Widerstandsfähigkeit” des deutschen Volkes. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan rief zu einem gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus auf und forderte eine lückenlose Aufklärung der Tat. Der Papst Franziskus betete für die Opfer und ihre Familien und verurteilte jede Form von Gewalt.

Der Anschlag führte auch zu einer Debatte über die Sicherheitslage in Deutschland und die Prävention von Gewalttaten. Einige Politiker forderten eine Verschärfung der Waffengesetze, eine bessere Überwachung des Internets oder eine stärkere Präsenz der Polizei. Andere warnten vor einer Hysterie oder einer Einschränkung der Freiheitsrechte. Viele Experten betonten die Notwendigkeit einer besseren Integration von Migranten, einer Förderung der Demokratieerziehung und einer Bekämpfung des Rechtsextremismus.

EINE STADT IM REGENBOGENTAUMEL

Die Initiative “München erinnern!”

Um ein dauerhaftes Zeichen gegen Hass und Gewalt zu setzen und das Andenken an die Opfer zu bewahren, gründete sich im Jahr 2017 die Initiative “München erinnern!”. Sie setzt sich aus Angehörigen der Opfer, Überlebenden, Zeugen, Helfern, Bürgern, Politikern, Künstlern sowie Vertretern verschiedener Religionsgemeinschaften zusammen. Die Initiative organisiert regelmäßig Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen, Vorträge, Workshops und andere Aktionen, um die Öffentlichkeit über den Anschlag und seine Hintergründe aufzuklären und ein Zeichen für ein friedliches Zusammenleben zu setzen.

Ein zentrales Anliegen der Initiative ist die Errichtung eines Mahnmals für die Opfer des Anschlags am OEZ. Nach einem öffentlichen Wettbewerb wurde im Jahr 2019 der Entwurf des Künstlerkollektivs “Haus-Rucker-Co” ausgewählt, der einen begehbaren Pavillon aus Glas und Stahl vorsieht, der die Namen der Opfer trägt und an den Tatort erinnert. Das Mahnmal soll im Jahr 2023 fertiggestellt werden und als Ort der Erinnerung, der Begegnung und des Dialogs dienen.

Die Initiative “München erinnern!” erhält viel Unterstützung von der Stadt München, dem Freistaat Bayern, dem Bund und verschiedenen Stiftungen. Sie arbeitet auch eng mit anderen Initiativen zusammen, die sich gegen Rechtsextremismus und für ein weltoffenes München einsetzen, wie zum Beispiel “München ist bunt!”, “Gesicht zeigen!” oder “Laut gegen Nazis”. Die Initiative möchte auch ein Vorbild für andere Städte sein, die von ähnlichen Anschlägen betroffen sind oder waren.

Die Gedenkfeier zum fünften Jahrestag

Am Freitag, dem 22. Juli 2023, findet die offizielle Gedenkfeier zum fünften Jahrestag des Anschlags statt. Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr am OEZ mit einer Ansprache des Münchner Oberbürgermeisters Dieter Reiter, der an die Opfer erinnert und zu einem friedlichen Miteinander aufruft. Danach folgt eine Schweigeminute und eine Kranzniederlegung durch die Angehörigen der Opfer sowie durch Vertreter aus Politik, Religion und Gesellschaft.

Um 18 Uhr beginnt ein ökumenischer Gottesdienst in der nahe gelegenen Paul-Gerhardt-Kirche, an dem auch Vertreter anderer Glaubensgemeinschaften teilnehmen. Der Gottesdienst wird von Pfarrer Martin Germer geleitet, der auch nach dem Anschlag viele Menschen seelsorgerisch betreut hat. Er wird von einem Chor aus Schülern begleitet, die Lieder in verschiedenen Sprachen singen.

Um 19 Uhr startet ein Friedensmarsch vom OEZ zum Karlsplatz (Stachus), an dem alle Bürger teilnehmen können. Der Marsch soll ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern und ihren Familien sein und ein Signal gegen Hass und Gewalt senden. Der Marsch wird von verschiedenen Musikgruppen begleitet, die für eine fröhliche Stimmung sorgen sollen.

Um 20 Uhr endet die Gedenkfeier mit einer Kundgebung am Stachus, bei der mehrere Redner zu Wort kommen. Unter ihnen sind auch Überlebende des Anschlags, die von ihren Erfahrungen berichten und ihre Hoffnungen für die Zukunft äußern. Die Kundgebung wird von einem Feuerwerk abgeschlossen, das den Himmel über München in bunten Farben erstrahlen lässt.

Die Initiative “München erinnern!” lädt alle Münchner sowie alle Gäste aus nah und fern ein, an der Gedenkfeier teilzunehmen oder sich auf andere Weise an diesem Tag zu engagieren. Sie hofft, dass dieser Tag nicht nur ein Tag der Trauer, sondern auch ein Tag der Freude, der Dankbarkeit und des Zusammenhalts sein wird.

Bei der letzten Bundestagswahl 2017 wählten die Bürger der Stadt München vornehmlich die SPD, demnach links.

Quellen:

[1] Süddeutsche Zeitung: Fünf Jahre nach dem OEZ-Anschlag: Wie München gedenkt [2] Bayerischer Rundfunk: OEZ-Anschlag: Chronologie einer Gewalttat [3] Spiegel Online: OEZ-Anschlag: Ermittler erkennen rechtsextremes Motiv an [4] München erinnern!: Über uns [5] Abendzeitung München: OEZ-Anschlag: So sieht das Mahnmal für die Opfer aus [6] Münchner Merkur: OEZ-Anschlag: Das Programm der Gedenkfeier zum fünften Jahrestag

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