Katastrophen der Menschheit:  Untergang der Norman Atlantic am 28.12.2014

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Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.

Am 28. Dezember 2014 ereignete sich eines der schwersten Schiffsunglücke in der Adria. Die italienische Fähre Norman Atlantic, die von Igoumenitsa nach Ancona unterwegs war, geriet in Brand und wurde zum Schauplatz einer dramatischen Rettungsaktion. Unter den 499 Menschen an Bord kamen mindestens 14 ums Leben, darunter zwei Deutsche. Weitere 18 werden noch vermisst.

Die Ursache des Feuers

Die genaue Ursache des Feuers ist bis heute nicht geklärt. Die Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft richten sich gegen sieben Personen, darunter der Reeder Carlo Visentini und der Kapitän Argilio Giacomazzi. Sie werden verdächtigt, fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Herbeiführung eines Schiffsunglücks zu verantworten.

Die Norman Atlantic war ein RoPax-Schiff, das sowohl Passagiere als auch Fahrzeuge befördern konnte. Sie gehörte zu einer Gruppe ähnlicher Schiffe, die nach einem Grunddesign der NAOS-Projektierungsgesellschaft durch die Visentini-Werft im Baukastensystem gebaut wurden. Das Schiff verfügte über 2290 Spurmeter für Lkw und Stellplätze für bis zu 202 Pkw. Die Be- und Entladung erfolgte über zwei Heckrampen.

Das Feuer brach gegen 4:30 Uhr morgens auf dem Autodeck aus, wo zahlreiche Lkw und Pkw geparkt waren. Die Flammen breiteten sich rasch aus und erzeugten eine enorme Hitze und Rauchentwicklung. Die Brandmeldeanlage soll nicht funktioniert haben, so dass viele Passagiere erst spät von dem Feuer erfuhren. Einige berichteten von Explosionen und Knallgeräuschen.

Die Besatzung versuchte, das Feuer unter Kontrolle zu bringen, doch die Löschsysteme waren offenbar unzureichend oder defekt. Die Feuerwehrleute konnten nur schwer zu dem Brandherd vordringen, da die Heckrampen geschlossen waren. Zudem erschwerte das schlechte Wetter die Löscharbeiten. Es herrschte starker Wind und hoher Seegang.

Die Rettungsaktion

Der Kapitän setzte einen Notruf ab und bat um Hilfe von anderen Schiffen in der Nähe. Er entschied sich, das Schiff auf Kurs zu halten, um ein Kentern zu vermeiden. Die Passagiere wurden angewiesen, sich auf dem Oberdeck zu versammeln und Rettungswesten anzulegen. Viele mussten sich stundenlang in der Kälte und im Rauch ausharren, bis sie gerettet werden konnten.

Die Rettungsaktion gestaltete sich als äußerst schwierig und chaotisch. Die Koordination zwischen den verschiedenen Einsatzkräften war mangelhaft, die Kommunikation mit den Passagieren unklar oder widersprüchlich. Die Rettungsboote konnten wegen des hohen Wellengangs nicht eingesetzt werden, so dass nur Hubschrauber zur Verfügung standen. Diese konnten aber nur jeweils eine Person aufnehmen und mussten immer wieder auftanken.

Die Hubschrauberbesatzungen riskierten ihr Leben, um die Passagiere von dem brennenden Schiff zu evakuieren. Sie mussten sich durch den dichten Rauch kämpfen und auf dem schaukelnden Deck landen oder Seilwinden benutzen. Viele Passagiere waren in Panik oder unterkühlt und mussten beruhigt oder medizinisch versorgt werden.

Die Rettungsaktion dauerte mehr als 30 Stunden. Insgesamt wurden 477 Menschen lebend von dem Schiff gebracht und auf andere Schiffe oder nach Italien und Griechenland geflogen. Unter den Geretteten waren auch vier schwangere Frauen und vier Kinder.

Das Schicksal des Schiffes

Die Norman Atlantic wurde nach dem Feuer von Schleppern nach Brindisi geschleppt, wo sie von Experten und Staatsanwälten untersucht wurde. Dabei wurden keine weiteren Leichen gefunden, aber ein Bild der Verwüstung. Das Schiff war von innen total ausgebrannt, die Fahrzeuge waren zu Schrotthaufen verschmolzen, das Oberdeck war teilweise zerschmolzen.

Die Suche nach den Vermissten wurde eingestellt, da keine Hoffnung mehr bestand, sie lebend zu finden. Die Identifizierung der Toten gestaltete sich als schwierig, da viele keine Ausweise bei sich hatten oder durch das Feuer entstellt waren. Es gab auch Zweifel an der Passagierliste, da vermutet wurde, dass sich illegale Einwanderer an Bord befanden.

Das Schiff wurde 2019 in Aliağa in der Türkei verschrottet.

Die Folgen des Unglücks

Das Unglück der Norman Atlantic löste eine Debatte über die Sicherheit und die Kontrolle von Fähren in Europa aus. Die Europäische Kommission forderte eine Überprüfung der geltenden Vorschriften und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Die italienische Regierung kündigte an, die Inspektionen von Fähren zu intensivieren und strengere Sanktionen bei Verstößen zu verhängen.

Die Überlebenden des Unglücks leiden noch immer unter den traumatischen Erlebnissen. Viele haben psychische oder körperliche Probleme und klagen über mangelnde Unterstützung von den Behörden oder den Reedereien. Einige haben Klagen eingereicht, um Schadensersatz oder Entschädigung zu erhalten.

Die Norman Atlantic bleibt ein Symbol für eine Schiffstragödie, die hätte vermieden werden können.

Quellen

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