Katastrophen der Menschheit:  Große Hungerkatastrophe im Iran 1917 – 1919

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Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.

Große Hungerkatastrophe im Iran 1917 – 1919

Die große Hungerkatastrophe im Iran 1917 – 1919 war eine der schlimmsten humanitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts, die etwa 40% der damaligen Bevölkerung das Leben kostete. Sie ereignete sich während des Ersten Weltkriegs, als das Land von den britischen, russischen und osmanischen Truppen besetzt war, die die Lebensmittelversorgung und die Wirtschaft des Landes schwer beeinträchtigten.

Die Hungersnot wurde durch mehrere Faktoren verursacht und verschärft, darunter anhaltende Dürren, Beschlagnahmung und Konfiszierung von Nahrungsmitteln durch die Besatzungsarmeen, Spekulation, Hortung, Kriegsgewinnlerei und schlechte Ernten. Hinzu kam die Ausbreitung von Seuchen wie Cholera, Pest und Typhus sowie die Grippepandemie von 1918.

Hintergrund

Der Iran war zu Beginn des Ersten Weltkriegs ein neutrales Land, das jedoch aufgrund seiner geostrategischen Lage und seiner Ölressourcen zum Schauplatz der Konflikte zwischen den kriegführenden Mächten wurde. Die britische Kolonialmacht hatte bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ein starkes wirtschaftliches und politisches Interesse an dem Land, das sie durch verschiedene Verträge und Abkommen zu ihrem Einflussgebiet machte. Die Russen hatten ebenfalls einen historischen Anspruch auf den Norden des Landes, den sie durch mehrere Kriege gegen das Osmanische Reich und Persien erweitert hatten. Die Osmanen wiederum sahen in dem Land einen potenziellen Verbündeten gegen ihre Feinde und versuchten, die persische Bevölkerung für den Dschihad zu mobilisieren.

Die Besatzung des Iran begann im Jahr 1914, als die Briten den Süden und die Russen den Norden des Landes einnahmen. Die Osmanen griffen im Jahr 1915 von Westen her an und eroberten einige Gebiete in Aserbaidschan und Kurdistan. Die persische Regierung unter der Qajar-Dynastie war schwach und korrupt und konnte kaum Widerstand leisten oder die Souveränität des Landes verteidigen. Die Besatzer mischten sich in die inneren Angelegenheiten des Landes ein, setzten ihre eigenen Marionettenregierungen ein, plünderten die natürlichen Ressourcen des Landes, insbesondere das Öl, und unterdrückten die Bevölkerung mit Gewalt und Repression.

Die Besatzung hatte verheerende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der persischen Bevölkerung, die bereits unter Armut, Unterentwicklung und mangelnder Bildung litt. Die Infrastruktur des Landes war veraltet und unzureichend, es gab kaum moderne Krankenhäuser oder medizinische Versorgung1, die Alphabetisierungsrate war niedrig und die hygienischen Verhältnisse waren schlecht.

Die Besatzer beschlagnahmten große Mengen an Nahrungsmitteln für ihre eigenen Truppen oder für den Export nach Europa oder Indien, was zu einer Knappheit an Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Reis oder Gerste führte. Die Preise für diese Lebensmittel stiegen enorm an2, so dass viele Menschen sie sich nicht mehr leisten konnten. Die Besatzer requirierten auch viele Transportmittel wie Lasttiere oder Eisenbahnen für ihre eigenen Zwecke, was den Handel und die Verteilung von Gütern im Land behinderte. Die Dürreperioden in den Jahren 1917 und 1918 verschlimmerten die Situation noch weiter, indem sie die Ernten reduzierten oder vernichteten.

Verlauf

Die Hungersnot begann im Jahr 1917 und erreichte ihren Höhepunkt im Jahr 1918. Sie betraf vor allem die ländlichen Gebiete des Landes, wo die meisten Menschen von der Landwirtschaft abhängig waren. Die Menschen litten unter Hunger, Durst, Krankheiten und Entkräftung. Viele starben in ihren Häusern oder auf den Straßen, andere wanderten in die Städte oder zu den Grenzen, um Nahrung oder Hilfe zu suchen. Die Städte waren jedoch ebenfalls überfüllt und von der Hungersnot betroffen. Die Besatzer zeigten wenig Mitgefühl oder Interesse für das Schicksal der persischen Bevölkerung und leisteten kaum humanitäre Hilfe. Im Gegenteil, sie nutzten die Situation aus, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen oder die Menschen zu unterwerfen.

Die Hungersnot führte auch zu sozialen und politischen Unruhen im Land. Viele Menschen rebellierten gegen die Besatzer oder die persische Regierung, die sie für ihre Misere verantwortlich machten. Es kam zu Aufständen, Plünderungen, Banditentum und Gewalt. Einige Gruppen versuchten, die nationale Einheit und Unabhängigkeit des Landes zu verteidigen oder zu erlangen, wie die Dschangali-Bewegung im Norden oder die Konstitutionalisten im Zentrum. Andere Gruppen schlossen sich den Besatzern an oder kämpften gegeneinander um die Macht oder die Ressourcen.

Die Hungersnot endete im Jahr 1919, als der Erste Weltkrieg zu Ende ging und die Besatzer sich aus dem Land zurückzogen. Die persische Regierung unterzeichnete jedoch einen Vertrag mit Großbritannien, der als Anglo-Persischer Vertrag von 1919 bekannt ist, der dem Land weitgehende Zugeständnisse machte und es faktisch zu einem britischen Protektorat machte. Der Vertrag stieß auf heftigen Widerstand im Land und wurde schließlich von der persischen Nationalversammlung abgelehnt. Der Iran erlebte in den folgenden Jahren eine Phase der Instabilität und des Umbruchs, bis die Pahlavi-Dynastie 1925 an die Macht kam und eine Reihe von Reformen durchführte, um das Land zu modernisieren und zu stärken.

Folgen

Die Hungersnot hinterließ tiefe Spuren in der Geschichte und im Gedächtnis des Iran. Sie gilt als eine der größten Tragödien des Landes, die Millionen von Menschen das Leben kostete und das Land an den Rand des Zusammenbruchs brachte. Die genaue Zahl der Opfer ist schwer zu ermitteln, da es keine zuverlässigen Volkszählungen oder Statistiken gab. Die Schätzungen variieren zwischen 8 und 10 Millionen Toten3, was etwa 40% der damaligen Bevölkerung entsprach. Die Hungersnot hatte auch langfristige Auswirkungen auf die Demographie, die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Kultur des Landes.

Die Hungersnot war auch ein Wendepunkt in der politischen Entwicklung des Iran. Sie offenbarte die Schwäche und Unfähigkeit der Qajar-Dynastie, das Land zu regieren und zu schützen. Sie zeigte auch die Brutalität und Gier der ausländischen Mächte, die das Land ausbeuteten und unterdrückten. Sie weckte das nationale Bewusstsein und den Widerstandswillen der persischen Bevölkerung, die nach Freiheit und Unabhängigkeit strebte. Sie bereitete den Weg für den Aufstieg einer neuen politischen Elite, die das Land reformieren und modernisieren wollte.

Die Hungersnot ist jedoch ein wenig erforschtes und wenig bekanntes Thema in der modernen Geschichte. Sie wird oft ignoriert oder verharmlost von den westlichen Medien und Schulbüchern, die sie als eine Folge des Krieges oder der Naturkatastrophen darstellen. Im Iran wird sie hingegen als ein Völkermord angesehen, der von den Imperialisten verursacht wurde. Sie ist ein Symbol für das Leiden und den Kampf des iranischen Volkes für seine Würde und Souveränität.

Quellen

1: Core – Montana (http://solar.physics.montana.edu/YPOP/Spotlight/SunInfo/Core.html)

2: Persian famine of 1917–1919 – Wikipedia (https://en.wikipedia.org/wiki/Persian_famine_of_1917%E2%80%931

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