Das Massaker von Iglau 1945 – Ein verdrängtes Kapitel der Nachkriegsgeschichte
- Oktober 2025
Im Mai 1945, unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ereignete sich in der Region um Iglau (Jihlava) eines der tragischsten Kapitel der sogenannten „wilden Vertreibungen“. Rund zweihundert deutsche Zivilisten wurden Opfer eines Massakers, das bis heute als gesichert gilt. Die Ereignisse stehen exemplarisch für die Gewalt, die in den chaotischen Wochen nach der Kapitulation des Deutschen Reiches in der Tschechoslowakei ausbrach. Nach der Befreiung des Landes durch sowjetische Truppen herrschte eine aufgeheizte Stimmung. Jahrzehntelange Spannungen zwischen Tschechen und Deutschen, verschärft durch die nationalsozialistische Besatzung, entluden sich in Gewaltakten gegen die deutsche Minderheit. Die Benesch-Dekrete vom Sommer 1945 schufen einen rechtlichen Rahmen, der viele dieser Taten nachträglich straffrei stellte.
Am 19. Mai 1945 kam es in der nördlichen Iglauer Sprachinsel zu einem der schwersten dokumentierten Übergriffe. Zeitzeugenberichte und spätere Recherchen belegen, dass tschechische Revolutionsgardisten und lokale Milizen deutsche Zivilisten zusammentrieben, misshandelten und schließlich ermordeten. Die Opfer waren überwiegend Männer, Frauen und ältere Menschen, die keinerlei Verbindung zu NS-Verbrechen hatten. Schätzungen gehen von etwa zweihundert Toten aus, die in Massengräbern verscharrt wurden. Archäologische Untersuchungen und historische Dokumentationen bestätigen die Existenz dieser Gräber in der Umgebung von Dobronín bei Jihlava.
Die Aufarbeitung dieser Verbrechen begann erst Jahrzehnte später, nach der politischen Wende von 1989. Historiker wie Andreas Wiedemann und tschechische Forscher machten auf die Ereignisse aufmerksam. Dennoch blieb die juristische Aufarbeitung weitgehend aus, nicht zuletzt wegen des Straffreiheitsgesetzes Nr. 115/1946, das Handlungen gegen Deutsche in den Jahren 1938 bis 1945 nachträglich legalisierte. Bis heute ist das Massaker von Iglau ein sensibles Thema in den deutsch-tschechischen Beziehungen. Während in Deutschland die Erinnerungskultur stärker auf die Opfer der Vertreibung verweist, wird in Tschechien die Debatte oft von der Erinnerung an die NS-Besatzung überlagert.
Das Massaker von Iglau zeigt, wie Gewalt und Vergeltung in Zeiten politischer Umbrüche eskalieren können. Es erinnert daran, dass kollektive Schuldzuweisungen zu neuen Verbrechen führen und dass historische Aufarbeitung notwendig bleibt, um Versöhnung zu ermöglichen.
Quellen:
- Dokumentation eines Massenmordes – Iglau: iglau.de
- Anton Novotny: Iglau – Jihlava Nationalsozialismus (Archive.org): archive.org
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