Organspende – das lebendige Ausweiden
Organe sind kostbar. Sie können Leben retten, Krankheiten heilen oder die Lebensqualität verbessern. Doch Organe sind auch knapp. In Deutschland warten rund 9.000 Menschen auf ein Spenderorgan, aber nur etwa 900 Menschen spenden pro Jahr ihre Organe nach ihrem Tod.
Die postmortale Spende ist die häufigste Form der Organspende in Deutschland. Sie setzt jedoch voraus, dass der potentielle Spender zu Lebzeiten eine Entscheidung getroffen hat, ob er seine Organe spenden möchte oder nicht. Diese Entscheidung wird in einem Organspendeausweis festgehalten, den jeder ab 16 Jahren ausfüllen kann. Wenn kein Organspendeausweis vorliegt, müssen die Angehörigen des Verstorbenen entscheiden, was mit seinen Organen geschehen soll. Das kann eine schwere Belastung für sie sein, vor allem wenn sie nicht wissen, was der Wille des Verstorbenen war.
Hirn-“Tod“?
Doch was ist mit den Menschen, die ihre Organe nach dem Hirntod spenden? Sind sie wirklich tot oder nur lebendig ausgeweidet? Der Hirntod ist eine medizinische Definition des Todes, die 1968 im Zusammenhang mit der sich entwickelnden Intensiv- und Transplantationsmedizin eingeführt wurde. Er bedeutet das irreversible Ende aller Hirnfunktionen – bei vorhandener Kreislaufaktivität und künstlich aufrechterhaltener Atmung – aufgrund von weiträumig abgestorbenen Nervenzellen4. Der Hirntod wird oft als sicheres inneres Todeszeichen oder als „Äquivalent des menschlichen Todes“4 angesehen.
Der Hirntod ist jedoch nicht unumstritten. Einige Wissenschaftler und Ethiker bezweifeln, dass er den Tod des Menschen ausreichend belegt. Sie argumentieren, dass der Tod ein Prozess ist, der den ganzen Körper betrifft, und dass hirntote Menschen noch biologische und soziale Merkmale des Lebens aufweisen.
Ein Beispiel dafür sind die Reaktionen von hirntoten Patienten auf die Organentnahme. Laut dem Artikel [1] sind bis zu 75 Prozent der Hirntoten noch in der Lage, auf das Öffnen ihres Körpers mit Bewegungen oder vegetativen Anzeichen zu reagieren. Um diese Reaktionen zu unterdrücken, werden ihnen Schmerzmittel oder muskelentspannende Mittel verabreicht. Dies wirft die Frage auf, ob hirntote Patienten noch Schmerzen empfinden können und ob sie eine angemessene Palliativversorgung erhalten.
In Deutschland gilt der Hirntod als Voraussetzung für die Organentnahme. Das heißt, dass ein Mensch erst dann als tot gilt, wenn sein gesamtes Gehirn unwiederbringlich ausgefallen ist. Das muss von zwei qualifizierten Ärzten unabhängig voneinander festgestellt werden, nachdem alle möglichen Ursachen für den Hirnfunktionsausfall ausgeschlossen wurden. Die Diagnose des Hirntodes erfolgt nach strengen Richtlinien der Bundesärztekammer, die regelmäßig überprüft und aktualisiert werden.
Die Diagnose des Hirntodes beruht auf klinischen und apparativen Untersuchungen. Die klinischen Untersuchungen umfassen die Prüfung des Bewusstseinszustandes, der Spontanatmung und der Hirnstammreflexe. Die apparativen Untersuchungen umfassen die Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns (EEG), die Darstellung der Durchblutung des Gehirns (Angiographie) oder die Messung des Stoffwechsels des Gehirns (PET) . Die Untersuchungen müssen in einem zeitlichen Abstand von mindestens 12 Stunden wiederholt werden, um die Irreversibilität des Hirnfunktionsausfalls zu bestätigen .
Die Diagnose des Hirntodes ist eine schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe. Sie erfordert eine hohe fachliche Kompetenz und eine sorgfältige Dokumentation. Sie erfordert auch eine einfühlsame Kommunikation mit den Angehörigen des hirntoten Menschen. Sie müssen über den Zustand des Patienten, die Diagnose des Hirntodes und die Möglichkeit der Organspende aufgeklärt werden. Sie müssen auch die Gelegenheit haben, sich von dem hirntoten Menschen zu verabschieden und ihre Trauer auszudrücken .
Die Diagnose Hirntod ist keineswegs unfehlbar und es geschehen auch Fehldiagnosen mit wirklich fatalen für den unfreiwilligen Organspender. Daher gibt es Kritik an der Definition „Hirntod“. Wann ist der Mensch tot? Wie definieren wir den Zustand Tod?
Einige Argumente, die gegen die Organspende sprechen, sind:
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Das Gehirn ist nur wenig erforscht und dadurch kann nicht sicher gesagt werden, ob ein Mensch wirklich tot ist, wenn seine Organe entnommen werden. Der Hirntod ist nur ein Kriterium für den Tod, aber es gibt auch andere Aspekte, die das Leben ausmachen, wie Bewusstsein, Gefühle oder Seele1.
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Angehörige fühlen sich mit der Situation oft überfordert und fühlen sich durch den anschließenden medizinischen Prozess in ihrer Trauer gestört. Die Organentnahme setzt den Tod auf der Intensivstation voraus, denn nach dem Tod muss weiter beatmet werden, damit die Organe mit Sauerstoff versorgt bleiben. Durch die Beatmung bestehen einige Körperfunktionen weiterhin, es scheint als würden Sterbende noch leben2. Der Sterbeprozess auf der Intensivstation sowie die Organentnahme erschwert den Angehörigen den Prozess der Verabschiedung, da sie nicht dabei sein können, wenn die künstliche Beatmung eingestellt und der Sterbeprozess beendet wird2.
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Die Organentnahme kann der Patientenverfügung widersprechen, wenn Patienten keine weiteren lebenserhaltenden Maßnahmen wünschen. Die Organentnahme ist ein invasiver Eingriff, der unter Umständen Schmerzen verursachen kann. Es ist nicht klar, ob die Spender vorher ausreichend schmerzfrei gestellt werden2.
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Die Organspende kann ethische oder religiöse Bedenken hervorrufen. Manche Menschen glauben, dass der Körper nach dem Tod unversehrt bleiben soll, um die Würde des Menschen zu bewahren oder um eine Auferstehung zu ermöglichen. Andere Menschen lehnen die Organspende ab, weil sie befürchten, dass sie dadurch zu einem Objekt oder einer Ware degradiert werden1.
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Die Organspende kann zu einem Missbrauch des Systems führen. Es gibt Fälle von Manipulation oder Korruption bei der Vergabe von Organen. Manche Menschen erhalten bevorzugt oder gegen Bezahlung ein Organ, während andere länger warten müssen oder gar kein Organ bekommen. Es gibt auch einen illegalen Handel mit Organen von schwächeren und ärmeren Menschen aus dem globalen Süden, die unter Druck gesetzt oder ausgebeutet werden1.
Die Organspende nach dem Hirntod ist daher keine einfache Entscheidung. Sie ist eine persönliche Entscheidung, die jeder Mensch für sich selbst treffen muss. Sie ist eine ethische Entscheidung, die von den eigenen Werten, Überzeugungen und Gefühlen abhängt. Sie ist eine gesellschaftliche Entscheidung, die von der Achtung vor dem Leben, dem Tod und der Würde jedes Menschen geprägt sein sollte.
Quellen:
: Hirntod: Definition, Diagnose und ethische Aspekte : Organspende: Pro und Contra : Organspende: Niemand würde zustimmen, wenn er wüsste worauf er sich einlässt : Organspende-Aufklärung: Kritik und Infos zu Organspende Transplantation Hirntod
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