Katastrophen der Menschheit: Brand des Iroquois Theater am 30.12.1903

Lesezeit 3 minutes

Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.

Es war ein kalter Wintertag im Jahr 1903, als sich in Chicago eine der schlimmsten Brandkatastrophen der Geschichte ereignete. Das Iroquois Theater, ein prächtiges Gebäude mit Marmor und Mahagoni, war erst fünf Wochen zuvor eröffnet worden und galt als “absolut feuerfest”. Doch an jenem 30. Dezember sollte sich herausstellen, dass diese Behauptung eine tödliche Lüge war.

Das Theater bot Platz für 1724 Besucher und war an diesem Nachmittag fast ausverkauft. Viele Familien mit Kindern waren gekommen, um das beliebte Musical “Mr. Blue Beard jr.” zu sehen, das von dem Vaudeville-Star Eddie Foy und einer großen Schauspieltruppe aufgeführt wurde. Das Bühnenbild bestand aus mehreren Quadratmetern großen, auf Segeltuch gemalten Landschaftskulissen, die sich vom Schnürboden herabsenken ließen. Beim Bemalen waren leicht entflammbare Ölfarben verwendet worden.

Als der zweite Akt begann, befanden sich der Chor und viele Tänzer auf der Bühne. Gegen 15:15 Uhr sah ein Bühnenarbeiter von einem Laufsteg unterhalb der oben hängenden Kulissen, wie sich über einem Scheinwerfer ein Segeltuchfaden entzündete. Sein Versuch, die kleine Flamme per Hand zu löschen, scheiterte, weil die Stelle wenige Zentimeter außerhalb seiner Reichweite lag. Die Flamme begann zu züngeln.

Foy hatte gerade die Bühne betreten, als es über ihm einen Kurzschluss gab und Funken sprühten, die einen Samtvorhang und Kulissen in Brand setzten. Der Bühnenfeuerwehrmann wollte mit zwei bereitgehaltenen Pulverschläuchen die Gefahr ersticken. Sie versagten. Die vorhandene Ausrüstung zur Feuerbekämpfung war ineffektiv. Löscheinrichtungen für ein über den Köpfen sich entwickelndes Feuer, etwa Wasserschläuche, fehlten.

Als brennende Kulissenteile herabfielen, rannten die Sänger hinter die Bühne. Das Orchester spielte weiter, Foy ging vor zum Rampenlicht, versuchte, die Zuschauer zu beruhigen und forderte zum Herablassen des Asbestvorhanges auf. Zum Entsetzen des Darstellers verkeilte sich der eilends herabgelassene Vorhang in seinen hölzernen Schienen. Der Schutz konnte damit nicht mehr richtig greifen.

Schauspieler und Tänzer flohen nunmehr durch eine Tür hinter der Bühne ins Freie. Die zur Flucht offene Tür sorgte für das Einströmen eisiger Luft, gab dem Feuer Nahrung und führte schlagartig zu einem sehr großen Feuerball, der sich unter dem gestauten Asbestvorhang hindurch in den Zuschauerraum ausdehnte. Dort hatten sich die Entlüftungsklappen geöffnet. Alles Brennbare geriet sofort in Flammen, insbesondere auf der Galerie und den Balkonen.

Das Publikum ergriff in Panik die Flucht. Doch viele Ausgänge waren verschlossen oder blockiert. Einige Türen öffneten sich nach innen und wurden durch die Menge unpassierbar gemacht. Andere Türen führten in Sackgassen oder auf Feuertreppen ohne Geländer. Viele Menschen stürzten in die Tiefe oder wurden von anderen erdrückt oder erstickt.

Die Feuerwehr traf schnell am Ort des Geschehens ein, konnte aber wenig ausrichten. Die meisten Opfer waren bereits tot oder schwer verletzt. Die Rettungsarbeiten wurden durch den dichten Rauch und die Hitze erschwert. Die Leichen wurden auf die Straße gelegt oder in nahe gelegene Gebäude gebracht.

Die Bilanz des Infernos war erschütternd: 602 Menschen starben an diesem Tag im Iroquois Theater, darunter viele Kinder. Hunderte weitere wurden verletzt oder traumatisiert. Es war der schlimmste Brand in einem einzelnen Gebäude in der US-Geschichte und einer der schwersten weltweit.

Die Ursachen und Folgen des Brandes wurden in mehreren Untersuchungen und Gerichtsverfahren aufgedeckt. Es stellte sich heraus, dass das Theater zahlreiche Sicherheitsmängel aufwies, die von den Behörden und den Betreibern ignoriert oder vertuscht wurden. Der Asbestvorhang war nicht feuerfest, sondern enthielt Baumwolle. Die Feuerlöscher waren defekt oder leer. Die Notausgänge waren unzureichend gekennzeichnet oder versperrt. Die Feuermelder waren nicht angeschlossen. Die Sprinkleranlage war nicht installiert.

Die Verantwortlichen für den Brand wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Die meisten Anklagen wurden fallen gelassen oder endeten mit Freisprüchen. Die Hinterbliebenen der Opfer erhielten nur geringe oder gar keine Entschädigungen. Die Öffentlichkeit war empört über die Ungerechtigkeit und die Korruption, die den Brand begünstigt hatten.

Der Brand im Iroquois Theater führte jedoch auch zu einigen positiven Veränderungen. Er löste eine Reform der Brandschutzgesetze und -vorschriften aus, die in vielen Städten der USA und der Welt umgesetzt wurden. Er sensibilisierte die Menschen für die Gefahren von Feuer und die Notwendigkeit von Prävention und Evakuierung. Er inspirierte auch einige Künstler und Schriftsteller, die das Drama in ihren Werken verarbeiteten.

Der Brand im Iroquois Theater bleibt ein trauriges Kapitel in der Geschichte der Menschheit, das uns lehrt, wie wichtig es ist, das Leben zu schätzen und zu schützen.

Quellen:

*****************************************************************************

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Haben Sie Fragen oder Anregungen?

Schreiben Sie eine Mail: admin@wahrheitschecker.de

Wir freuen uns auf Ihre Nachricht!