Katastrophen der Menschheit: Untergang der “Böhlen” am 15.10.1976

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Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.

Es war eine stürmische Nacht im Oktober 1976, als der DDR-Öltanker “Böhlen” mit fast 10.000 Tonnen Rohöl an Bord auf dem Weg von Venezuela nach Rostock war. Was als eine routinemäßige Fahrt begann, endete in einer der schlimmsten Schiffskatastrophen der deutschen Geschichte, bei der 26 Menschen ihr Leben verloren und eine massive Ölverschmutzung an der bretonischen Küste verursacht wurde.

Das Schiff bis 1976

Die “Böhlen” war ein 145,5 Meter langer und 19,2 Meter breiter Tanker, der 1961 in Leningrad gebaut und von der Deutschen Seereederei Rostock (DSR) betrieben wurde. Die DSR war die Hochseeflotte der DDR, die vor allem den Handel mit sozialistischen Ländern und Entwicklungsländern abwickelte. Die “Böhlen” war eines von mehreren Schiffen, die nach Städten in der DDR benannt waren.

Das Schiff hatte eine bewegte Geschichte: Es wurde zunächst als “Leuna IV” vom Stapel gelassen, aber noch im selben Jahr in “Böhlen” umbenannt. Es wurde 1969 in Rostock aufgelegt und sollte nach Frankreich verkauft werden, aber der Vertrag kam nicht zustande. Es wurde dann an zwei Tochterunternehmen der DSR übergeben, die es für den Transport von Öl und anderen Gütern nutzten.

Der Schiffbruch

Am 14. Oktober 1976 geriet die “Böhlen” in eine tödliche Falle: Aufgrund eines Navigationsfehlers steuerte das Schiff direkt in die Chaussée de Sein, ein klippenreiches Gebiet im Westen der französischen Insel Île de Sein. Gegen 3:55 Uhr rammte das Schiff die Felsen und riss einen langen Riss unter der Wasserlinie auf. Das Öl begann auszutreten und das Wasser strömte in den vorderen Teil des Schiffes.

Anstatt sofort Hilfe zu rufen oder das Schiff zu evakuieren, entschied sich der Kapitän, Kurs auf hohe See zu setzen, in der Hoffnung, das Leck zu stoppen oder einen Hafen zu erreichen. Er täuschte seine Mannschaft über die Schwere der Situation und ignorierte die Sturmwarnung, die sich über dem Atlantik zusammenbraute. Er lehnte auch das Angebot eines westdeutschen Hochseeschleppers ab, der die Bergung des Schiffes anbot.

Die folgenden Stunden waren ein Albtraum für die Besatzung: Das Vorschiff sank immer tiefer ins Wasser und wurde von den Wellen zerschlagen. Der Funkraum wurde überflutet und der Kontakt zur Außenwelt abgebrochen. Die Mannschaft versuchte verzweifelt, sich mit Rettungsbooten und Flößen in Sicherheit zu bringen, aber viele wurden von Bord gespült oder ertranken im eiskalten Wasser.

Erst am späten Abend wurden einige Überlebende von einem westdeutschen Schlepper und französischen Fischern gerettet. Die Suche nach weiteren Opfern wurde durch das schlechte Wetter, den Mangel an Rettungsmitteln und den sich ausbreitenden Ölteppich erschwert. Am nächsten Tag sank die “Böhlen” endgültig auf den Meeresgrund.

Die Folgen

Der Untergang der “Böhlen” war eine nationale Tragödie für die DDR: Von den 35 Menschen an Bord überlebten nur neun, darunter zwei mitreisende Ehefrauen. Der Kapitän und alle nautischen Offiziere kamen ums Leben. Die genauen Ursachen des Unglücks wurden nie vollständig geklärt, aber es gab Hinweise auf menschliches Versagen, mangelnde Disziplin und Alkoholmissbrauch an Bord.

Der Untergang der “Böhlen” war auch eine ökologische Katastrophe für die bretonische Küste: Das ausgelaufene Öl verschmutzte mehr als 100 Kilometer Küstenlinie und bedrohte die Tier- und Pflanzenwelt. Die französischen Behörden mussten einen Notfallplan aktivieren, um die Auswirkungen des Ölteppichs zu begrenzen. Die DDR bot an, sich an den Reinigungsarbeiten zu beteiligen, aber die französische Regierung lehnte ab.

Der Untergang der “Böhlen” war schließlich auch ein politischer Skandal für die DDR: Das Unglück wurde von der DDR-Presse zunächst verschwiegen oder verharmlost, um das Ansehen der Seefahrt und des sozialistischen Staates zu wahren. Erst nachdem westliche Medien über das Unglück berichtet hatten, gab die DDR eine offizielle Erklärung ab und drückte ihr Bedauern aus. Die DDR-Führung versuchte auch, die Schuld auf den westdeutschen Schlepper zu schieben, der angeblich das Schiff absichtlich in die Klippen gelockt habe.

Der Untergang der “Böhlen” war somit eine der schlimmsten Schiffskatastrophen der deutschen Geschichte, die viele Menschenleben kostete und eine schwere Umweltkrise auslöste. Er zeigte auch die Schwächen und Widersprüche des DDR-Systems auf, das versuchte, die Wahrheit zu vertuschen und die Verantwortung abzuschieben. Er bleibt bis heute ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Seefahrt und der DDR.

Quellen

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