Sechs Millionen Tonnen Chemieabfall – und ein See, der nie wieder lebt
05.10.2025
Historischer Hintergrund der Chemiehochburg Bitterfeld/Wolfen
Bitterfeld/Wolfen war in der DDR eines der bedeutendsten Zentren der chemischen Industrie. Über Jahrzehnte entwickelte sich hier ein dichtes Netz aus Produktionsanlagen, das auf Chlorchemie, Fotochemie und Kunstfaserherstellung spezialisiert war. Die industrielle Nutzung reicht über 140 Jahre zurück und hinterließ eine Vielzahl von Altlasten.
Ein zentraler Ort dieser Geschichte ist die Deponie Freiheit III, unter deren Oberfläche mehr als sechs Millionen Tonnen chemischer Abfälle lagern. Wenige hundert Meter entfernt befindet sich der sogenannte „Silbersee“, ein ehemaliges Tagebaurestloch, das zur Entsorgung hochgiftiger Schlämme und Abwässer genutzt wurde. Die Einleitungen stammten vor allem aus der Fotochemie und der Kunstfaserproduktion.
Der Silbersee erhielt seinen Namen durch den schimmernden Film auf der Wasseroberfläche, verursacht durch chemische Rückstände. Unter der Oberfläche lagerten bis zu 16 Meter tief hochgiftige Schlämme, die das Gewässer biologisch zerstörten. Die Belastung war bereits in den 1980er-Jahren bekannt, doch erst nach der politischen Wende wurden die Einleitungen gestoppt und Sanierungsmaßnahmen eingeleitet.
Der Silbersee und die Deponie Freiheit III
Der Silbersee war in den 1980er-Jahren ein biologisch totes Gewässer. Die Schlämme enthielten unter anderem schwefelwasserstoffhaltige Stoffe, die zu starker Geruchsbelästigung führten und gesundheitliche Beschwerden verursachten. Die Deponie Freiheit III, nur wenige hundert Meter entfernt, war über Jahrzehnte Endlager für chemische Abfälle aus der Produktion.
Die Herkunft der Abfälle lässt sich klar benennen: Fotochemische Prozesse und Kunstfaserproduktion erzeugten große Mengen hochgiftiger Reststoffe. Diese wurden ohne Aufbereitung in das Restloch eingeleitet. Die Grube Johannes, aus der der Silbersee entstand, war ursprünglich ein Braunkohletagebau und später Standort für die Produktion von Greppiner Klinker. Nach der Stilllegung wurde das Gelände für die Abfallentsorgung genutzt.
Mit der Wende begann ein langwieriger Sanierungsprozess. Die Einleitungen wurden 1992 beendet, und technische Maßnahmen wie Grundwasserpumpen und Barrieren wurden installiert, um die Ausbreitung der Schadstoffe zu verhindern.
Wasser, Boden, Luft – Belastung in allen Medien
Die Umweltbelastung in Bitterfeld/Wolfen betraf Wasser, Boden und Luft gleichermaßen. Im Grundwasser wurden chlorierte Aromaten wie Chlorbenzol nachgewiesen. Diese Stoffe sind hochgiftig, krebserregend und erbgutschädigend. Um die Ausbreitung zu verhindern, wurden großflächige Pumpanlagen installiert, die das belastete Wasser abführen und reinigen.
Im Boden lagern Millionen Tonnen chemischer Abfälle, die über Jahrzehnte Schadstoffe freisetzen können. Die Luft war durch Emissionen aus der Chlorchemie und durch Ausgasungen aus den Schlämmen belastet. Geruchsbelästigungen und Atemwegsreizungen waren in der Umgebung häufig.
Die Belastung war nicht punktuell, sondern flächendeckend. Sie wirkte sich auf die Lebensqualität aus und erforderte kontinuierliche technische Maßnahmen, um die Risiken zu minimieren.
Auswirkungen auf Menschen und Tiere
Die Schadstoffbelastung führte zu unmittelbaren gesundheitlichen Problemen bei Anwohnern, darunter Atemwegsreizungen und andere Beschwerden. Der Silbersee war biologisch tot, sämtliche Wasserlebewesen fehlten. Pflanzen und Kleinstlebewesen konnten in der Umgebung des Sees nicht überleben.
Für Tiere bedeutete die Belastung den Verlust von Lebensraum. Das Grundwasser musste dauerhaft überwacht und gereinigt werden, um eine weitere Ausbreitung der Schadstoffe zu verhindern. Die Bodenbelastung blieb eine langfristige Gefahr, da chemische Stoffe über Jahre hinweg freigesetzt werden können.
Die Sanierung wurde zu einer Daueraufgabe, deren Ziel es war, die Umgebung wieder bewohnbar zu machen und weitere Schäden zu verhindern.
Wendezeit und Sanierung
Nach der politischen Wende änderte sich der Umgang mit den Altlasten grundlegend. Die Einleitung von Abfällen in den Silbersee wurde 1992 beendet. Sanierungsmaßnahmen umfassten die Installation von Grundwasserpumpen, die Errichtung technischer Barrieren und die Erkundung der Altlasten.
Die Deponie Freiheit III blieb ein zentrales Problem. Unter Erde und Rasen lagern mehr als sechs Millionen Tonnen chemischer Abfälle. Die Sanierung erfordert langfristige technische und finanzielle Ressourcen.
Die Altlasten aus über einem Jahrhundert Industriegeschichte werden kontinuierlich überwacht. Ziel ist es, die Risiken für Mensch und Umwelt zu minimieren und die betroffenen Flächen langfristig zu sichern.
Fazit
Der Umweltskandal in Bitterfeld/Wolfen zwischen 1984 und 1990 zeigt die Folgen jahrzehntelanger industrieller Nutzung ohne ausreichende Umweltauflagen. Der Silbersee und die Deponie Freiheit III stehen für massive Belastungen von Wasser, Boden und Luft. Die Sanierung ist ein langfristiger Prozess, der bis heute andauert.
Quellen
- MDR/Volksstimme: „Über sechs Millionen Tonnen Chemieabfälle in Bitterfelds Boden“
- German History in Documents and Images: „Der Silbersee (1990)“
- Wikipedia: „Silbersee (Bitterfeld)“
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