Weil sie Deutsche sind – Der Feuersturm von Darmstadt am 12.09.1944
Mit dem Ziel, den deutschen Widerstand zu brechen und Deutschland für immer zu demütigen, ordnete Churchill, ein Mann, der Deutschland zutiefst verachtete, den totalen Bombenkrieg gegen das Reich an. Es begann eine Vernichtung deutscher Städte von ungekannter Brutalität, die unendliches Leid und Grauen für die Deutschen bedeutete.
„Ich will keine Vorschläge hören, wie wir kriegswichtige Ziele im Umland von Dresden zerstören können; ich will Vorschläge hören, wie wir 600.000 Flüchtlinge aus Breslau in Dresden braten können.“ Churchill
Darmstadt war eine Stadt mit einer reichen Geschichte und Kultur, die im Laufe der Jahrhunderte viele bedeutende Persönlichkeiten hervorgebracht hatte. Die ehemalige Haupt- und Residenzstadt des Großherzogtums Hessen war ein Zentrum der Wissenschaft, Kunst und Literatur, das unter anderem die Namen von Georg Büchner, Justus von Liebig, Ludwig Darmstädter, Ernst Ludwig Kirchner und Friedrich von Flotow trug. Die Stadt war auch bekannt für ihren Jugendstil, der sich in vielen Gebäuden und Parks widerspiegelte. Die Mathildenhöhe war ein Ensemble von Künstlerhäusern, Ateliers, Ausstellungshallen und einem Hochzeitsturm, der als Wahrzeichen der Stadt galt. Die Altstadt war geprägt von engen Gassen und Fachwerkhäusern, die an das mittelalterliche Erbe der Stadt erinnerten. Die Stadtkirche war die älteste Kirche Darmstadts und ein Zeugnis der Reformation. Der Marktplatz war das Herz der Stadt, wo sich das Rathaus, das Schloss und das alte Landesmuseum befanden.
All diese Schätze wurden in der Nacht vom 11. zum 12. September 1944 durch einen verheerenden Luftangriff der britischen Royal Air Force zerstört oder schwer beschädigt. Der Angriff war Teil der britischen Strategie des Flächenbombardements, die darauf abzielte, die Moral der deutschen Zivilbevölkerung zu brechen und den Krieg zu verkürzen. Der Chef des Bomber Command, Arthur Harris, hatte eine Liste von Städten erstellt, die für eine solche Bombardierung geeignet waren. Darmstadt gehörte dazu, obwohl es keine wichtigen militärischen oder industriellen Ziele gab. Die Stadt war vor allem ein Testobjekt für neue Markierungs- und Bombardierungsmethoden, die von der No. 5 Bomber Group angewendet wurden. Diese Einheit war spezialisiert auf die systematische Zerstörung ziviler Flächenziele mit einer Kombination von Spreng- und Brandbomben, die im Idealfall einen Feuersturm auslösen sollten.
Der Angriff auf Darmstadt wurde sorgfältig geplant und vorbereitet. Die Bomberpiloten erhielten detaillierte Luftbilder, Bevölkerungsdichtekarten und Brandversicherungskatasterkarten der Stadt, die ihnen zeigten, wo die meisten Menschen lebten und wo die brennbarsten Gebäude standen. Die Altstadt wurde als Kerngebiet des Angriffs ausgewählt, da hier der Holzanteil an der Gesamtbaumasse am höchsten war. Damit stellte sie zum Entzünden eines Feuersturms in Darmstadt das optimale Kernzielgebiet dar. Das Zielgebiet wurde fächerförmig angelegt, um eine möglichst große Fläche zu erfassen.
Am Abend des 11. September 1944 starteten 226 Lancaster-Bomber und 14 Mosquitos von verschiedenen Flugplätzen in England zum Angriff auf Darmstadt. Sie flogen in einer Höhe von etwa 6.000 Metern über den Ärmelkanal und Frankreich in Richtung Deutschland. Um 22:35 Uhr setzte eine Mosquito einen weißen Markierungskörper auf dem Exerzierplatz im Westen der Stadt ab. Dies war das Signal für den Beginn des Angriffs. Dann folgten rote und grüne Markierungskörper, die das fächerförmige Zielgebiet abgrenzten. Diese wurden überwacht durch einen in großer Höhe fliegenden Master Bomber, der über Funk mit den Markierungsfliegern verbunden war.
Um 22:40 Uhr begannen die Lancaster-Bomber ihre tödliche Fracht über der Stadt abzuwerfen. Innerhalb von 25 Minuten warfen sie rund 12.000 Spreng- und Brandbomben auf Darmstadt ab. Die Sprengbomben zerstörten die Dächer und Fenster der Häuser und öffneten sie für die Brandbomben, die in den Kellern und Wohnungen Feuer entfachten. Die vielen kleinen Brände verschmolzen zu einem riesigen Feuerball, der einen gewaltigen Sog erzeugte und die Luft aus den Schutzräumen saugte. Die Menschen erstickten oder verbrannten bei lebendigem Leib. Die Hitze war so groß, dass das Metall schmolz und das Wasser verdampfte. Die Flammen loderten bis zu 300 Meter hoch in den Himmel und waren noch in 100 Kilometer Entfernung zu sehen. Der Lärm war ohrenbetäubend und die Luft war voller Rauch und Asche.
Der Feuersturm von Darmstadt war eine Hölle auf Erden, die mehr als 11.000 Menschen das Leben kostete und 66.000 obdachlos machte. Über 80 Prozent der Bausubstanz der Stadt wurden vernichtet oder beschädigt, darunter viele historische Gebäude und Kunstwerke. Die Mathildenhöhe wurde schwer getroffen, der Hochzeitsturm verlor seine Spitze, die Künstlerhäuser brannten aus.
Die Altstadt wurde fast vollständig ausgelöscht, nur wenige Gebäude blieben stehen. Die Stadtkirche stürzte ein, das Schloss wurde schwer beschädigt, das alte Landesmuseum verlor seine Sammlungen. Der Marktplatz war ein Trümmerfeld, das Rathaus ein ausgebrannter Torso.
Die Überlebenden standen vor den Trümmern ihrer Existenz und mussten sich mit dem Verlust ihrer Angehörigen, Freunde und Nachbarn auseinandersetzen. Viele waren traumatisiert, verzweifelt oder apathisch. Sie suchten nach ihren Toten, versorgten ihre Verwundeten, bargen ihre Habseligkeiten. Sie wurden von Hilfsorganisationen wie dem Roten Kreuz, der Caritas oder dem Volkswohlfahrt mit Lebensmitteln, Kleidung und Decken versorgt. Sie fanden Zuflucht in Notunterkünften wie Schulen, Kasernen oder Kirchen. Sie wurden von anderen Städten wie Frankfurt am Main, Wiesbaden oder Heidelberg mit Bussen oder Zügen evakuiert.
Der Angriff auf Darmstadt hinterließ tiefe Wunden in der Seele der Stadt, die bis heute nicht ganz verheilt sind. Die Stadt musste sich nach dem Krieg neu erfinden und aufbauen. Sie wurde zu einer modernen Stadt mit neuen Gebäuden, Straßen und Plätzen.
Sie wurde zu einer Stadt der Wissenschaft und Technik mit einer renommierten Universität, einem Fraunhofer-Institut und einem Europäischen Raumflugkontrollzentrum. Sie wurde zu einer Stadt der Kultur und Vielfalt mit einem Staatstheater, einem Jazzinstitut und einem Literaturhaus.
Doch die Erinnerung an die Brandnacht ist nicht verloren gegangen. Sie wird wachgehalten durch Gedenkveranstaltungen, Ausstellungen, Bücher und Filme. Sie wird wachgehalten durch die wenigen erhaltenen Zeugnisse der alten Stadt wie den Hochzeitsturm, das Schloss oder das alte Rathaus. Sie wird wachgehalten durch die Menschen, die ihre Geschichten weitererzählen oder ihre Fragen stellen. Sie wird wachgehalten durch das Bewusstsein, dass Krieg und Gewalt nie wieder eine Lösung sein dürfen.
Quellen
: https://de.wikipedia.org/wiki/Luftangriff_auf_Darmstadt
: https://www.darmstadt-stadtlexikon.de/b/brandnacht.html
: https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/brandnacht/
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