Sandoz 1986 – als der Rhein sich rot färbte und die Fische starben 

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05.10.2025 — Düsseldorf 

Am 1. November 1986 kam es in Schweizerhalle bei Basel zu einem Großbrand in einer Lagerhalle des Chemiekonzerns Sandoz AG. In der Halle befanden sich rund 1.351 Tonnen verschiedener Chemikalien, darunter Pflanzenschutzmittel wie Disulfoton, Thiometon, Parathion und Fenitrothion. Der Brand führte zu einer erheblichen Freisetzung dieser Stoffe. 

Das bei den Löscharbeiten eingesetzte Wasser wurde in großen Mengen kontaminiert und gelangte über die Abwasserkanalisation in den Rhein. Schätzungen zufolge flossen zwischen 10.000 und 15.000 Kubikmeter Löschwasser mit etwa 30 Tonnen toxischer Substanzen in den Fluss. Zusätzlich gelangte ein roter, ungiftiger Farbstoff in das Gewässer, der die Rheinoberfläche weithin sichtbar färbte. 

Die Folge war ein massives Fischsterben auf einer Strecke von mehreren hundert Kilometern, insbesondere im Oberrhein. Die Aalpopulation wurde auf einer Länge von etwa 400 Kilometern nahezu vollständig ausgelöscht. Rauch und Gerüche aus dem Brand zogen ostwindbedingt Richtung Basel; die Bevölkerung wurde per Sirenenalarm aufgefordert, Türen und Fenster geschlossen zu halten. 

Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit 

Die ökologischen Schäden waren erheblich. Neben dem großflächigen Fischsterben wurden auch andere aquatische Organismen stark beeinträchtigt. Die Wiederherstellung der betroffenen Bestände dauerte mehrere Jahre. 

Auf menschlicher Seite kam es zu akuten Reizungen der Atemwege bei Anwohnern und Einsatzkräften. Über 1.250 Personen wurden in den Tagen nach dem Unfall medizinisch behandelt. Die Trinkwasserversorgung in den Niederlanden, die teilweise auf Uferfiltrat aus dem Rhein angewiesen ist, musste zeitweise eingeschränkt werden. 

Defizite in der Krisenkommunikation 

Der Unfall offenbarte erhebliche Mängel im grenzüberschreitenden Informationsaustausch. Zwischen den betroffenen Staaten bestand zum Zeitpunkt des Ereignisses kein funktionierendes System zur schnellen und umfassenden Weitergabe relevanter Daten über Art und Menge der freigesetzten Stoffe. Dies führte zu Verzögerungen bei Schutzmaßnahmen für Bevölkerung und Infrastruktur. 

Politische und regulatorische Folgen 

In der Folge wurden nationale und internationale Regelwerke angepasst. In der Schweiz und in Deutschland wurden Störfallverordnungen verschärft. Auf europäischer Ebene wurden die Vorgaben der sogenannten Seveso-Richtlinie erweitert. Die Internationale Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) erarbeitete Empfehlungen zur Verbesserung der Prävention und des Krisenmanagements. 

Die statistische Auswertung der Folgejahre zeigt, dass unfallbedingte Belastungen des Rheins durch Industriechemikalien seitdem um über 99 Prozent zurückgegangen sind. 

Langfristige Perspektive 

Trotz der Fortschritte in der Gewässerqualität bestehen weiterhin Herausforderungen durch persistente organische Schadstoffe, hormonähnlich wirkende Substanzen („Pseudohormone“) und Mikroplastik. Der Unfall in Schweizerhalle gilt als Schlüsselmoment für die Entwicklung moderner Gewässerschutz- und Krisenmanagementsysteme im internationalen Kontext. 

Quellenangaben 

 

 

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