Todesmarsch nach Postelberg – Das vergessene Massaker von Saaz
- Oktober 2025
Einleitung
Im Juni 1945, nur wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ereignete sich in Nordböhmen ein grausames Kapitel der Nachkriegsgeschichte: der sogenannte Saaz–Postelberg-Marsch. Mehrere Hundert, nach manchen Quellen sogar weit über Tausend deutschsprachige Zivilisten, wurden Opfer von Gewalt, Misshandlungen und Massenmorden. Dieses Ereignis, das eng mit den Massakern von Postelberg (tschechisch Postoloprty) verbunden ist, steht exemplarisch für die Eskalation der sogenannten „wilden Vertreibungen“ der deutschen Bevölkerung aus der Tschechoslowakei.
Historischer Hintergrund
Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches am 8. Mai 1945 kehrte die Tschechoslowakei in ihre Vorkriegsgrenzen zurück. In den Grenzgebieten, dem ehemaligen Sudetenland, lebte eine große deutschsprachige Bevölkerung. Die Stimmung war aufgeheizt: Jahre der Besatzung, Verbrechen des NS-Regimes und die allgemeine Kriegserschöpfung führten zu einer Atmosphäre der Rache und Vergeltung.
Die Stadt Saaz (Žatec) und das nahegelegene Postelberg (Postoloprty) wurden zu Schauplätzen dieser Gewalt. Unter dem Vorwand der „Säuberung“ von NS-Funktionären und Kollaborateuren wurden ganze Bevölkerungsgruppen zusammengetrieben, interniert und misshandelt.
Der Marsch von Saaz nach Postelberg
Am 3. Juni 1945 begann die systematische Zusammenführung der männlichen deutschen Bevölkerung von Saaz. Männer im Alter zwischen 13 und 65 Jahren – darunter auch Kranke und Alte – wurden auf dem Marktplatz von Saaz zusammengetrieben. Zeitzeugen berichten von etwa 5.000 Menschen, die dort unter Schlägen, Schüssen und Drohungen gesammelt wurden egerer-landtag.de.
Von dort aus begann der berüchtigte Marsch nach Postelberg, rund 15 Kilometer entfernt. Wer nicht mehr gehen konnte, wurde auf der Stelle erschossen. Ganze Kolonnen bewegten sich unter Bewachung und Misshandlungen Richtung Postelberg. Viele erreichten das Ziel nur schwer verletzt oder völlig entkräftet.
In Postelberg angekommen, wurden die Überlebenden in der dortigen Kaserne zusammengepfercht. Bereits in den ersten Nächten kam es zu Erschießungen, Folterungen und Misshandlungen. Verwundete wurden nicht versorgt, sondern häufig durch Genickschüsse getötet.
Die Massaker in Postelberg
Zwischen dem 3. und 7. Juni 1945 eskalierte die Gewalt. Männer wurden in Gruppen selektiert, angeblich nach ihrer politischen Zugehörigkeit oder militärischen Vergangenheit. Viele verschwanden spurlos – erschossen in Sandgruben, auf Feldern oder in den Kasernenhöfen.
Frauen und Kinder, die später ebenfalls nach Postelberg gebracht wurden, erlitten Misshandlungen und Demütigungen. Zeugenaussagen berichten von systematischen Plünderungen: Geld, Schmuck und persönliche Gegenstände wurden den Gefangenen abgenommen Wikipedia egerer-landtag.de.
Die Zahl der Opfer ist bis heute umstritten. Während konservative Schätzungen von mehreren Hundert sprechen, gehen andere Quellen von über 1.000 bis 1.200 Toten aus Wikipedia.
Juristische Aufarbeitung
Bereits 1947 kam es zu ersten Untersuchungen durch einen tschechoslowakischen Parlamentsausschuss. Mehrere Offiziere, darunter Leutnant Jan Čubka und Hauptmann Vojtěch Černý, wurden als Verantwortliche genannt. Doch die Verfahren verliefen im Sande, und eine umfassende juristische Aufarbeitung blieb aus Wikipedia.
Erst Jahrzehnte später, nach der politischen Wende von 1989, wurde das Thema in der tschechischen Öffentlichkeit wieder aufgegriffen. Historiker und Zeitzeugenberichte brachten neue Details ans Licht, doch eine vollständige Aufklärung und Anerkennung der Opfer steht bis heute aus.
In Postelberg erinnert heute ein Gedenkkreuz an der Fasanerie an die Opfer. Dennoch bleibt das Massaker von Saaz–Postelberg ein weitgehend verdrängtes Kapitel der europäischen Nachkriegsgeschichte. Es steht exemplarisch für die Gewalt, die im Zuge der Vertreibungen Millionen von Menschen traf, und mahnt zur Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der unmittelbaren Nachkriegszeit.
Quellen
- Deutsche Digitale Bibliothek: Was geschah in Saaz und Postelberg im Juni 1945? Deutsche Digitale Bibliothek
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