Katastrophen der Menschheit – Picher, die giftigste Stadt der USA

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Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.

Picher war einst eine blühende Bergbaustadt im US-Bundesstaat Oklahoma, die reiche Vorkommen an Blei und Zink hatte. Doch der jahrzehntelange Abbau dieser Rohstoffe hinterließ eine verheerende Spur der Zerstörung: Millionen Tonnen giftiger Abfälle, verseuchtes Grundwasser, gesundheitliche Schäden bei den Bewohnern und eine instabile Landschaft, die jederzeit einstürzen konnte. Picher wurde zur giftigsten Stadt der USA erklärt und schließlich aufgegeben. Heute ist Picher eine Geisterstadt, die nur noch von wenigen Menschen besucht wird, die sich an ihre Vergangenheit erinnern wollen.

Die Geschichte von Picher begann 1891, als die Stadt gegründet wurde und bald die reichen Vorkommen an Blei und Zink im Boden entdeckt wurden. Diese Materialien waren für die Produktion von Kriegsmaschinerie in den beiden Weltkriegen sehr gefragt. Bald lebten in Picher 14.000 Bergarbeiter, die insgesamt 227 Minen betrieben. Im Jahr 1925 produzierten sie fünf Millionen Kilo Roh-Erz pro Tag. Insgesamt wurden aus diesem Gebiet zwischen 1891 und 1970, als die Förderung versiegte, 1,7 Millionen Tonnen Blei und 8,8 Millionen Tonnen Zink gefördert1

Doch um diese Mengen zu gewinnen, musste man unfassbare 181 Millionen Tonnen Roh-Erz verarbeiten, wobei oft giftige Rückstände wie Kadmium, Blei, Arsen, Eisen und Mangan zurückblieben und sukzessive das Wasser verseuchten. Dies führte zu einer drastisch erhöhten Krankheitsrate, besonders unter Kindern. Laut einer Studie im Jahr 2004 war die Wahrscheinlichkeit, an Staublunge zu erkranken, in Picher um 2000 Prozent höher als im Durchschnitt. Auch die Raten für Lungenkrebs, Bluthochdruck, Atemwegserkrankungen und Kindersterblichkeit waren hier stets höher2

Laut einem Bericht von Wired hätten damals in mehreren Fällen Kinder nach dem Baden in den Gewässern rund um Picher chemische Verbrennungen davongetragen, die man allerdings für einen einfachen Sonnenbrand gehalten habe3 Im Jahr 1980 begann die amerikanische Umweltbehörde EPA, das Problem rund um Picher zu erfassen, für dessen Eindämmung bis heute ein hoher dreistelliger Millionbetrag ausgegeben wurde. Die EPA erklärte Picher damals zum giftigsten Ort der USA. Tausende Minenschächte wurden verschlossen, zudem für die künftige Versorgung mit Trinkwasser tiefer liegende Grundwasserschichten angezapft, auf zahlreichen Grundstücken die obere Bodenschicht abgetragen4

Nach langem Streit um die Sanierung der Böden zumindest im Stadtgebiet beschlossen die Behörden 2007, die Einwohner der Stadt umzusiedeln und die Stadt Picher selbst aufzugeben5 Während der Blütezeit der Minen um die Zeit des Zweiten Weltkrieges lebten rund 16.000 Menschen in Picher. Nach dem Ende des Bergbaus entvölkerte sich die Stadt zusehends, so dass 2007 nur noch um die 1000 Einwohner gezählt wurden. Im Mai 2008 wurde die Einwohnerzahl auf nur noch ungefähr 800 geschätzt, als die Ortschaft von einem Tornado heimgesucht und weitestgehend zerstört wurde. Ein Wiederaufbau der Stadt wurde wegen der geplanten Evakuierung ausgeschlossen.

Picher ist heute eine Geisterstadt, die nur noch von einigen wenigen Menschen bewohnt wird, die sich weigern, ihre Heimat zu verlassen. Die meisten Gebäude sind verfallen oder eingestürzt, die Straßen sind leer und überwuchert, die Luft ist staubig und riecht nach Schwefel. Die riesigen Abraumberge, die der Abbau von Blei und Zink verursacht hat, ragen wie Mahnmale in den Himmel. Die Stadt ist zu einem Symbol für die Folgen des menschlichen Raubbaus an der Natur geworden.

Picher ist auch Thema in Folge 2 der zweiten Staffel der Dokufiktion-Serie Zukunft ohne Menschen („Giftwolken“, USA 2010). Die in der Stadt aufgetretenen Umweltschäden erscheinen dort als Beispiel für das, was nach einem fiktiven Verschwinden der Menschheit global mit deren Hinterlassenschaften geschehen würde.

Quellen:

1: Picher in Oklahoma: Geisterstadt ist giftigster Ort der USA – TRAVELBOOK 2: Picher (Oklahoma) – Wikipedia 3: The Ghost Town That Was Built on Top of an Erupting Volcano | WIRED 4: Pollution brings end to Oklahoma mining town – US news – Environment | NBC News 5: Giftigste US-Stadt von Landkarte getilgt, Meldung auf kurier.at, 7. März 2012. : [A Tainted Mining Town Dies as Residents Are Paid to Leave, Washington Post vom 18. Januar 2007, S. A12.] : [Picher, Oklahoma – Das Ende einer Kleinstadt, Spiegel-Online Meldung vom 12. Mai 2008] : [Last Residents of Picher, Oklahoma Won’t Give Up the Ghost (Town). In: NBC News. 28. April 2014, abgerufen am 27. Dezember 2017.] : Picher (Oklahoma) – Wikipedia

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