Katastrophen der Menschheit – Castle Bravo und das verstrahlte Südseeparadies

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Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.

Am 1. März 1954 zündeten die USA im Bikini-Atoll im Pazifik die stärkste Wasserstoffbombe ihrer Geschichte. Die Explosion von Castle Bravo war 2,5-mal so stark wie erwartet und löste eine radioaktive Katastrophe aus, die bis heute Spuren hinterlässt. Was geschah an diesem schicksalhaften Tag und welche Folgen hatte er für Menschen, Tiere und Pflanzen?

Die Bombe, die zu stark war

Castle Bravo war Teil der Operation Castle, einer Serie von sechs Kernwaffentests, die das US-Militär im Frühjahr 1954 durchführte. Das Ziel war es, die Entwicklung von thermonuklearen Waffen voranzutreiben, die auf dem Prinzip der Kernfusion basieren. Dabei verschmelzen leichte Atomkerne zu schwereren und setzen dabei enorme Energiemengen frei.

Die Bombe, die für den ersten Test der Serie verwendet wurde, hieß Shrimp und war die erste, die mit Lithiumdeuterid als Fusionsbrennstoff arbeitete. Dieser Stoff besteht aus Lithium, das ein Isotop von Wasserstoff enthält, das für die Fusion benötigt wird. Die Bombe hatte einen Durchmesser von 1,37 Metern, eine Länge von 4,56 Metern und ein Gewicht von 10,7 Tonnen. Sie wurde auf einer künstlichen Insel in der Lagune des Bikini-Atolls platziert, etwa einen Kilometer von der Insel Namu entfernt.

Die Zündung erfolgte um 18:45 Uhr Ortszeit. Die Bombe sollte eine Sprengkraft von etwa sechs Megatonnen TNT haben, was etwa 400-mal so stark wie die Hiroshima-Bombe war. Doch die Berechnungen der Wissenschaftler waren falsch. Sie hatten nicht bedacht, dass ein Teil des Lithiums, das Lithium-7, ebenfalls an der Fusion teilnehmen würde. Dadurch wurde die Sprengkraft auf 15 Megatonnen TNT erhöht, was die stärkste Explosion war, die die USA je erzeugten.

Die Explosion riss einen Krater von 1,5 Kilometern Durchmesser und 75 Metern Tiefe in das Atoll. Der Feuerball war vier Kilometer breit und stieg 27 Kilometer in die Höhe. Die Druckwelle war noch in 48 Kilometern Entfernung zu spüren. Der Atompilz erreichte eine Höhe von 40 Kilometern und breitete sich über 160 Kilometer aus. Die Hitze war so intensiv, dass sie das Korallenriff verdampfte und zu feinem Staub verwandelte, der sich mit den radioaktiven Spaltprodukten vermischte.

Der Fallout, der die Welt verseuchte

Der radioaktive Fallout von Castle Bravo war die schwerste Umweltverschmutzung, die je durch einen Kernwaffentest verursacht wurde. Er verteilte sich über ein Gebiet von mehr als 11.000 Quadratkilometern und kontaminierte zahlreiche Inseln, Schiffe und Menschen.

Die Bewohner der Atolle Rongelap und Utirik, die etwa 160 und 480 Kilometer von Bikini entfernt lagen, wurden von einem feinen, weißen Ascheregen überrascht, der wie Schnee aussah. Sie wussten nicht, dass es sich um radioaktives Material handelte, und spielten damit oder aßen es. Erst drei Tage nach der Explosion wurden sie evakuiert und medizinisch behandelt. Viele von ihnen litten unter Übelkeit, Erbrechen, Haarausfall, Hautverbrennungen und Schilddrüsenkrebs. Einige starben an den Folgen der Strahlenkrankheit oder an Leukämie.

Auch die Besatzung des japanischen Fischerboots Daigo Fukuryu Maru (Glücklicher Drache Nr. 5), das sich etwa 140 Kilometer östlich von Bikini befand, wurde vom Fallout getroffen. Die 23 Männer an Bord erlitten schwere Verbrennungen und Vergiftungen. Einer von ihnen, der Funker Aikichi Kuboyama, starb sechs Monate später in einem Krankenhaus in Tokio. Sein letzter Wunsch war: “Ich bitte, dass ich der letzte Opfer der Atombombe sein möge.” Sein Tod löste einen internationalen Protest gegen die Kernwaffentests aus.

Der Fallout von Castle Bravo erreichte auch andere Teile der Welt. Er wurde in die Stratosphäre getragen und umkreiste den Globus mehrmals. Er wurde in Australien, Indien, Japan, Europa und Nordamerika nachgewiesen. Er erhöhte die Hintergrundstrahlung und das Krebsrisiko für Millionen von Menschen. Er beeinflusste auch das Klima, indem er die Ozonschicht schädigte und die Sonneneinstrahlung verringerte.

Die Folgen, die bis heute andauern

Mehr als 60 Jahre nach der Explosion von Castle Bravo sind die Folgen noch immer spürbar. Der Krater, den die Bombe hinterließ, ist noch immer der am stärksten radioaktiv verseuchte Ort der Südsee. Eine Studie aus dem Jahr 2019 ergab, dass die Konzentration von Plutonium und Americium im Sediment des Kraters zehnmal höher ist als im Rest des Bikini-Atolls. Diese Radionuklide haben eine sehr lange Halbwertszeit und stellen eine dauerhafte Gefahr für die Umwelt und die Gesundheit dar.

Auch die Inseln, die vom Fallout betroffen waren, sind noch immer unbewohnbar. Die Bewohner von Rongelap und Utirik wurden in andere Atolle umgesiedelt, wo sie ihre traditionelle Lebensweise nicht mehr fortsetzen konnten. Sie leiden unter Armut, Krankheit und Identitätsverlust. Sie fordern eine angemessene Entschädigung und eine Dekontamination ihrer Heimatinseln, die bisher nur unzureichend erfolgt ist.

Die Explosion von Castle Bravo war ein tragischer Fehler, der das Schicksal vieler Menschen und die Zukunft einer ganzen Region veränderte. Sie war ein Zeugnis für die zerstörerische Kraft der Kernwaffen und die Verantwortung, die mit ihrem Einsatz verbunden ist. Sie war eine Mahnung an die Menschheit, die Gefahren der Atomkraft zu erkennen und zu vermeiden.

Quellen:

1 Operation Castle – Wikipedia 2 Castle Bravo – Wikipedia 3 Castle Bravo strahlt noch immer – scinexx 4 Der Atomdom auf den Marshallinseln – Sonnenseite

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