Vergessene Genozide – Das Massaker von Vukovar: Ein dunkles Kapitel im Kroatien-Krieg

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Genozide sind die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die je begangen wurden. Sie zeugen von Hass, Intoleranz und Grausamkeit gegenüber bestimmten Gruppen von Menschen, die aufgrund ihrer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt und vernichtet werden sollen. Doch nicht alle Genozide sind gleich bekannt oder anerkannt. Viele von ihnen sind vergessen oder verdrängt worden, sowohl von den Tätern als auch von der Weltöffentlichkeit. In dieser Artikelreihe wollen wir einige dieser vergessenen Genozide vorstellen und ihre Ursachen, Folgen und Aufarbeitung beleuchten.

Vor 30 Jahren, am 18. November 1991, fiel die kroatische Stadt Vukovar nach einer dreimonatigen Belagerung durch die serbisch dominierte Jugoslawische Volksarmee (JNA) und paramilitärische Einheiten. Was folgte, war eines der schwersten Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg Kroatiens: Das Massaker von Vukovar, bei dem mehr als 250 Zivilisten und Kriegsgefangene aus dem Krankenhaus von Vukovar ermordet und in einem Massengrab verscharrt wurden.

Die Schlacht um Vukovar

Vukovar war eine multiethnische Stadt an der Donau, die die Grenze zu Serbien bildete. Vor dem Krieg lebten dort etwa 45.000 Menschen, davon etwa ein Drittel Serben. Als Kroatien im Juni 1991 seine Unabhängigkeit von Jugoslawien erklärte, begann der Kroatien-Krieg, der bis 1995 andauerte. Die JNA und serbische Freischärler versuchten, Teile Kroatiens unter ihre Kontrolle zu bringen, um eine “Großserbien” zu schaffen.

Die Stadt Vukovar wurde zum Symbol des kroatischen Widerstands gegen die serbische Aggression. Die kroatischen Verteidiger, bestehend aus Polizisten, Soldaten und Freiwilligen, leisteten trotz der schlechten Bewaffnung und Ausrüstung erbitterten Widerstand gegen die überlegenen serbischen Kräfte, die über Panzer, Artillerie und Luftwaffe verfügten. Die Stadt wurde systematisch zerstört und die Zivilbevölkerung litt unter ständigem Beschuss, Hunger und Mangel an Wasser, Strom und Medikamenten.

Die Schlacht um Vukovar dauerte vom 25. August bis zum 18. November 1991 und forderte insgesamt 2.717 kroatische Todesopfer oder Vermisste. Die serbischen Verluste werden auf etwa 5.000 geschätzt. Die Stadt wurde völlig verwüstet und galt als das “europäische Stalingrad”.

Das Massaker von Vukovar

Am 18. November 1991 kapitulierte die kroatische Seite nach einer erfolglosen Evakuierungsaktion unter Vermittlung der Europäischen Gemeinschaft (EG). Die JNA übernahm die Kontrolle über die Stadt und versprach den Zivilisten und Verwundeten im Krankenhaus von Vukovar freies Geleit in kroatisch kontrolliertes Gebiet. Dieses Versprechen wurde jedoch gebrochen.

Am nächsten Tag wurden etwa 400 Patienten aus dem Krankenhaus von Vukovar von der JNA gefangen genommen und auf Lastwagen verladen. Etwa 100 von ihnen wurden in kleinere Gruppen aufgeteilt und in nahegelegene Orte gebracht, wo sie teilweise ebenfalls ermordet wurden. Die übrigen 300 wurden zur ehemaligen Schweinefarm Ovčara gebracht, wo sie von serbischen Freischärlern und JNA-Soldaten brutal misshandelt, gefoltert und erschossen wurden. Die Leichen wurden anschließend mit einem Bagger in einem Massengrab vergraben.

Unter den Opfern befanden sich eine Frau, ein 77-jähriger Mann als ältestes und ein 16-jähriger Jugendlicher als jüngstes Opfer des Massakers. Unter den Ermordeten waren auch der Journalist Siniša Glavašević sowie Jean-Michel Nicollier, ein französischer Freiwilliger, der sich den kroatischen Verteidigern angeschlossen hatte.

Die juristische Aufarbeitung

Das Massaker von Vukovar wurde vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. Im Jahr 1995 wurden drei JNA-Offiziere, Mile Mrkšić, Veselin Šljivančanin und Miroslav Radić, wegen ihrer Rolle bei dem Massaker angeklagt. Im Jahr 2007 wurden Mrkšić zu 20 Jahren und Šljivančanin zu fünf Jahren Haft verurteilt, während Radić freigesprochen wurde. In der Revision des Urteils im Jahr 2009 wurde die Strafe für Šljivančanin auf 17 Jahre erhöht.

Die Urteile des ICTY stießen in Kroatien auf Unverständnis und Empörung, da sie als zu milde und unzureichend empfunden wurden. Viele der direkt Beteiligten an dem Massaker wurden nie zur Rechenschaft gezogen. In einem separaten Verfahren vor einem Gericht in Belgrad wurden im Jahr 2010 13 Angeklagte zu insgesamt 193 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Erinnerung an das Massaker

Das Massaker von Vukovar hat tiefe Wunden in der kroatischen Gesellschaft hinterlassen. Die Stadt gilt als “Heldenstadt”, die für die Unabhängigkeit Kroatiens geopfert wurde. Jedes Jahr am 18. November finden in Vukovar Gedenkveranstaltungen statt, an denen Tausende von Menschen teilnehmen. Die kroatische Regierung hat die Stadt zum “Ort außerordentlicher Ehrfurchtsgebietung” erklärt.

Die Stadt Vukovar wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut, aber die Spuren der Zerstörung sind noch sichtbar. Die Stadt ist immer noch ethnisch geteilt, obwohl es Bemühungen gibt, das Vertrauen zwischen den kroatischen und serbischen Gemeinschaften wiederherzustellen. Viele Bewohner haben die Stadt in den letzten Jahren verlassen, auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen und Perspektiven.

Das Massaker von Vukovar bleibt ein dunkles Kapitel in der Geschichte Kroatiens und Europas, das nicht vergessen werden darf.

Quellen

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