Strahlendes Erbe unter Wasser: Wie Atommüll die Nordsee belastet
03.10.2025
Einleitung: Ein Skandal, der keiner sein sollte
Manchmal frage ich mich, wie wir Menschen eigentlich ticken. Da bauen wir Atomkraftwerke, erzeugen hochgefährlichen Müll – und wenn wir nicht wissen, wohin damit, kippen wir ihn einfach ins Meer. Klingt absurd? Ist aber Realität. Jahrzehntelang wurden Fässer mit radioaktiven Abfällen in den Nordostatlantik und die Nordsee verklappt. Aus den Augen, aus dem Sinn – so dachte man damals. Heute holen uns diese Entscheidungen wieder ein.
Die Geschichte der Verklappung – ein verdrängtes Kapitel
Zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren war es gängige Praxis: Staaten wie Großbritannien, Belgien, die Niederlande, die Schweiz und auch Deutschland haben Atommüll einfach ins Meer versenkt. Allein im Nordostatlantik sollen über 200.000 Fässer liegen – gefüllt mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen, oft in Beton oder Asphalt eingebettet.
Deutschland selbst beteiligte sich 1967 mit 480 Fässern aus dem Kernforschungszentrum Karlsruhe. Damals hieß es, die Tiefsee sei stabil, sicher und abgeschottet. Heute wissen wir: Das war eine gefährliche Illusion.
Erst 1993 wurde die Praxis durch internationale Abkommen endgültig verboten. Doch die Fässer liegen noch immer da unten – und niemand weiß genau, in welchem Zustand sie sind.
Was die Forschung heute herausfindet
In den letzten Jahren haben Forscherteams mit Unterwasserrobotern wie „Ulyx“ die alten Deponien aufgespürt. Über 1.000 Fässer wurden bereits geortet, viele davon stark verrostet. Proben aus Sedimenten und Wasser zeigen: Radioaktive Stoffe wie Strontium-90 oder Caesium-137 sind nachweisbar.
Die gute Nachricht: In Fischen und Meeresfrüchten, die wir essen, liegen die Werte bisher weit unter den Grenzwerten. Die schlechte Nachricht: Die Fässer sind nicht für die Ewigkeit gebaut. Manche Isotope wie Plutonium-239 haben Halbwertszeiten von über 24.000 Jahren. Das bedeutet: Die Gefahr bleibt über Generationen bestehen.
Folgen für Umwelt, Tiere und Menschen
Die Nordsee ist ohnehin schon stark belastet – durch Plastik, Öl, Chemikalien. Radioaktive Abfälle sind da ein zusätzlicher Schlag. Sedimente können Strahlung speichern, kleine Organismen nehmen sie auf, und über die Nahrungskette gelangt sie weiter.
Für uns Menschen ist das Risiko aktuell gering, sagen Experten. Aber was ist in 50 oder 100 Jahren? Wenn die Fässer weiter zerfallen, könnte die Belastung steigen. Und selbst wenn die Strahlung verdünnt wird – das Meer ist kein Mülleimer. Jeder Eintrag bleibt Teil des Ökosystems.
Politik und Verantwortung
Die Londoner Konvention von 1972 und das Verbot von 1993 waren wichtige Schritte. Aber seien wir ehrlich: Sie kamen viel zu spät. Jahrzehntelang wurde weggeschaut, und heute stehen wir vor einem Problem, das niemand wirklich lösen kann.
Eine Bergung der Fässer wäre extrem riskant und teuer. Also bleibt nur: beobachten, messen, dokumentieren. Doch das reicht nicht. Wir brauchen Transparenz, internationale Zusammenarbeit und vor allem: Ehrlichkeit im Umgang mit den Fehlern der Vergangenheit.
Fazit: Ein Mahnmal unter Wasser
Die Nordsee ist nicht nur ein Meer vor unserer Haustür, sie ist Lebensraum, Nahrungsquelle und Klimaregulator. Dass wir sie als Müllkippe für Atommüll missbraucht haben, ist ein Skandal, der uns noch lange begleiten wird.
Vielleicht ist das die wichtigste Lehre: Wir können Müll nicht einfach verschwinden lassen. Schon gar nicht radioaktiven. Er bleibt – und erinnert uns daran, dass Bequemlichkeit und Verdrängung keine Lösungen sind.
Quellen
- Deutsche Welle: „Was wir über die 1800 Atommüll-Fässer im Atlantik wissen“ (2025)
- t-online: „Umwelt-Skandal im Atlantik: Forscher orten mehr als 1.000 Fässer Atommüll“ (2025)
- Atommüllreport: „Endlager Meer“ (2025)
- taz: „1.000 Atomfässer im Atlantik gefunden“ (2025)
- GRS gGmbH: „Verklappung radioaktiver Abfälle“
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