Säure im Meer: Wie wir die Nordsee fast zur Giftmüllkippe gemacht haben 

Lesezeit 2 minutes

03.Oktober 2025 

 Einleitung: Wenn das Meer zur Mülltonne wird 

Manchmal frage ich mich, wie wir Menschen eigentlich ticken. Da haben wir dieses riesige, wunderschöne Meer direkt vor der Haustür – die Nordsee – und was machen wir? Wir kippen Abfälle hinein, als wäre es ein endloser Abfluss. Klingt absurd, oder? Genau das ist aber jahrzehntelang passiert: Dünnsäure, ein Abfallprodukt aus der Chemieindustrie, wurde in gigantischen Mengen in die Nordsee verklappt. Und das nicht heimlich, sondern mit Genehmigung. 

In diesem Artikel möchte ich euch mitnehmen auf eine Reise durch einen der größten Umweltskandale Europas. Ich erzähle euch, was Dünnsäure eigentlich ist, warum sie so gefährlich ist, wie die Industrie jahrzehntelang das Meer als Entsorgungsort missbrauchen durfte – und welche Folgen das für Tiere, Umwelt und letztlich auch uns Menschen hatte. 

Was ist Dünnsäure überhaupt? 

Dünnsäure klingt erstmal harmlos, fast wie ein Reinigungsmittel. In Wahrheit handelt es sich um verdünnte Schwefelsäure, die bei der Herstellung von Titandioxid entsteht – einem weißen Farbpigment, das in Wandfarbe, Zahnpasta oder Sonnencreme steckt. Klingt nach Alltag, oder? Doch das Problem: Diese Säure ist nicht „rein“. Sie enthält Schwermetalle wie Chrom, Kupfer, Vanadium und Cadmium. Alles Stoffe, die giftig sind und sich in der Nahrungskette anreichern können. 

Über Jahrzehnte fielen Millionen Tonnen davon an. Und weil Recycling damals „zu teuer“ war, entschied man sich für den einfachsten Weg: Ab ins Meer damit. Zwei Schiffe, die „Kronos“ und die „Titan“, fuhren regelmäßig raus und kippten täglich bis zu 1200 Tonnen Dünnsäure ins Wasser. Offiziell hieß es, die Nordsee sei groß genug, um das zu verkraften. Heute wissen wir: Das war ein Trugschluss. 

Die Folgen für die Nordsee 

Die Nordsee ist kein unendlicher Mülleimer. Schon bald zeigten sich die Folgen: 

  • Artensterben am Meeresboden: In den Verklappungsgebieten sank die Zahl der Arten um mehr als ein Drittel. 
  • Kranke Fische: Besonders die Kliesche, ein Plattfisch, zeigte auffällig viele Hautkrankheiten, Tumore und Geschwüre. 
  • Schwermetalle im Sediment: Chrom und Cadmium lagerten sich im Meeresboden ab und gelangten so in die Nahrungskette. 

Das Bittere daran: Diese Schäden sind nicht sofort sichtbar. Anders als ein Ölteppich, der Schlagzeilen macht, wirken Schwermetalle schleichend. Sie bleiben im Sediment, reichern sich in Muscheln, Krebsen und Fischen an – und landen irgendwann auf unseren Tellern. 

Proteste und das Ende der Verklappung 

In den 1980er-Jahren reichte es vielen Menschen. Umweltorganisationen wie Greenpeace machten mobil. Legendär ist die Aktion von 1980, als Aktivisten das Schiff „Kronos“ blockierten und so die Verklappung stoppten. Die Bilder gingen um die Welt und setzten Politik und Industrie unter Druck. 

1989 war schließlich Schluss: Deutschland erteilte keine Genehmigungen mehr. Großbritannien folgte 1993. Stattdessen mussten Recyclingverfahren entwickelt werden, um die Schwefelsäure zurückzugewinnen. Teurer, ja – aber endlich ohne das Meer als Opfer. 

Was wir daraus lernen sollten 

Die Geschichte der Dünnsäureverklappung ist ein Lehrstück. Sie zeigt, wie leicht wir uns von „billigen Lösungen“ blenden lassen – und wie schwer die Folgen wiegen. Sie zeigt aber auch, dass Protest, Öffentlichkeit und klare Gesetze etwas verändern können. 

Heute stehen wir vor neuen Herausforderungen: Mikroplastik, Chemikalien, Überfischung. Die Lektion von damals bleibt: Das Meer ist keine Müllkippe. Alles, was wir hineingeben, kommt irgendwann zurück – in Form von kranken Fischen, zerstörten Ökosystemen oder verlorenen Lebensgrundlagen. 

 Quellen 

  • KATALYSE Umweltlexikon: „Dünnsäureverklappung in der Nordsee“ 
  • Greenpeace-Archiv: Aktionen gegen die Dünnsäureverklappung 1980er Jahre 
  • Bundesumweltministerium: Historie der Dünnsäureentsorgung 
  • TAZ-Archiv: „Die Nordsee als Müllkippe“ 

 

*****************************************************************************

Hat Ihnen der Beitrag gefallen? Haben Sie Fragen oder Anregungen?

Nutzen Sie bitte den Chat oder das Kontaktformular, wir freuen uns auf Ihre Nachricht!