Katastrophen der Menschheit – Boston-Marathon-Anschlag vom 15.04.2013
Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.
Ein fröhliches Sportfest wird zum Albtraum
Es sollte ein Tag der Freude und des Sports sein. Der Boston-Marathon ist das älteste und prestigeträchtigste Rennen seiner Art in den USA. Jedes Jahr am Patriots’ Day, einem Feiertag in Massachusetts, versammeln sich Hunderttausende von Zuschauern entlang der 42,195 Kilometer langen Strecke, um die Läufer anzufeuern. Am 15. April 2013 war es nicht anders. Knapp 30.000 Teilnehmer aus aller Welt hatten sich für den Lauf angemeldet, darunter auch viele Deutsche1
Doch was als fröhliches Sportfest begann, endete in einer Tragödie. Um 14:50 Uhr Ortszeit explodierten zwei selbstgebaute Bomben im Zielbereich des Marathons auf der Boylston Street. Die Sprengsätze waren in Rucksäcken versteckt und mit Metallteilen und Nägeln gefüllt, um möglichst viel Schaden anzurichten. Die Explosionen waren so heftig, dass sie Fensterscheiben zerbersten ließen und eine Druckwelle erzeugten, die Menschen zu Boden schleuderte2
Die Bilanz war verheerend: Drei Menschen starben, darunter ein achtjähriger Junge, der mit seiner Familie das Rennen verfolgte. 264 weitere wurden zum Teil schwer verletzt, viele verloren Gliedmaßen oder erlitten Verbrennungen und Splitterwunden. Die Szene glich einem Kriegsgebiet: Blut, Trümmer und Schreie erfüllten die Luft. Viele Helfer, darunter auch andere Läufer, eilten den Opfern zur Seite und versuchten, die Blutungen zu stillen oder die Verletzten zu bergen. Die Rettungskräfte waren schnell vor Ort, doch die Lage war chaotisch. Die Behörden sperrten den Tatort ab, evakuierten umliegende Gebäude und stoppten den öffentlichen Nahverkehr. Die ganze Stadt stand unter Schock3
Die Jagd nach den Tätern
Wer steckte hinter dem Anschlag? Diese Frage beschäftigte die Ermittler, die Medien und die Öffentlichkeit. War es ein Einzeltäter, eine Gruppe oder eine internationale Terrororganisation? Die US-Bundesbehörden stuften den Bombenanschlag als terroristischen Akt ein und leiteten eine großangelegte Fahndung ein. Dabei setzten sie auf die Hilfe der Bevölkerung, die Fotos und Videos von der Tat zur Verfügung stellte.
Schon am 18. April 2013, drei Tage nach dem Anschlag, veröffentlichte das FBI die Bilder von zwei Verdächtigen, die mit Rucksäcken in der Nähe des Zielbereichs gesehen wurden. Es handelte sich um die Brüder Dschochar und Tamerlan Zarnajew, 19 und 26 Jahre alt, die aus Tschetschenien stammten und seit mehreren Jahren in den USA lebten. Die Fahndung löste eine dramatische Verfolgungsjagd aus, die die ganze Stadt in Atem hielt.
Am Abend des 18. April erschossen die Brüder einen Polizisten auf dem Campus des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) und entwendeten dessen Auto. Auf ihrer Flucht lieferten sie sich eine Schießerei mit der Polizei in Watertown, einem Vorort von Boston. Dabei warfen sie weitere selbstgebaute Bomben aus dem Auto und verletzten einen weiteren Polizisten schwer. Tamerlan Zarnajew wurde von der Polizei gestellt und tödlich verwundet. Sein Bruder Dschochar konnte zunächst entkommen und versteckte sich in einem Boot, das in einem Hinterhof stand. Er wurde am Abend des 19. April nach einer großangelegten Suchaktion, die die ganze Stadt lahmlegte, schwer verletzt festgenommen.
Die Hintergründe und die Folgen
Was trieb die Brüder zu ihrer Tat? Diese Frage beschäftigte die Ermittler, die Medien und die Öffentlichkeit. Die Brüder hatten keine direkte Verbindung zu einer bekannten Terrororganisation, sondern handelten offenbar aus eigener Motivation. Sie waren radikalisierte Muslime, die sich von der Propaganda des islamistischen Extremismus beeinflussen ließen. Sie wollten Rache für die US-Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak nehmen und ein Zeichen gegen die westliche Gesellschaft setzen. Sie hatten sich im Internet Anleitungen zum Bombenbau besorgt und ihre Sprengsätze aus handelsüblichen Schnellkochtöpfen hergestellt.
Dschochar Zarnajew wurde wegen Verwendung von Massenvernichtungsmitteln und heimtückischer Zerstörung von Eigentum mit Todesfolge vor einem US-Bundesgericht angeklagt. Er gestand seine Schuld und entschuldigte sich bei den Opfern und ihren Angehörigen. Er sagte, er habe seinem älteren Bruder gefolgt, der die treibende Kraft hinter dem Anschlag gewesen sei. Er bat um Vergebung und um eine Chance, sein Leben zu ändern. Am 8. April 2015 wurde er von einem Geschworenengericht in allen 30 Anklagepunkten schuldig gesprochen. Am 15. Mai wurde er von einem Bundesgericht zum Tode verurteilt. Sein Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da er Berufung eingelegt hat.
Der Boston-Marathon-Anschlag war der schwerste Terroranschlag in den USA seit dem 11. September 2001. Er hinterließ tiefe Wunden in der Stadt und im Land, die bis heute nicht verheilt sind. Viele Opfer leiden noch immer unter den körperlichen und seelischen Folgen. Die Stadt Boston zeigte sich jedoch entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Unter dem Motto „Boston Strong“ (Boston stark) solidarisierten sich die Menschen mit den Opfern und ihren Familien und setzten ein Zeichen gegen den Terror. Der Marathon wurde im Jahr darauf wieder ausgetragen, mit noch mehr Teilnehmern und Zuschauern als zuvor. Er wurde zu einem Symbol für den Widerstand und die Hoffnung einer Stadt, die sich nicht unterkriegen lässt.
Quellen
1: Anschlag auf den Boston-Marathon – Wikipedia 2: 10. Jahrestag Anschlag Boston-Marathon: Das Trauma bleibt – ZDFheute 3: Anschläge erschüttern Boston – DW – 15.04.2013 : Boston Marathon bombing – FBI : Boston Marathon bombing suspects: Who are they? – CNN : Boston Marathon bombing: How the police caught the suspects – BBC : Boston Marathon bomber influenced by al Qaeda, prosecutors say – Reuters : Boston Marathon bomber Dzhokhar Tsarnaev sentenced to death – The Guardian : Boston Marathon bombing survivors: Where are they now? – USA Today
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