Weil sie Deutsche sind – Massaker von Bleiburg vom 15.05.1945

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Als das Deutsche Reich am Ende des Zweiten Weltkrieges zusammenbrach, war es für die Deutsche Wehrmacht ein verzweifelter Kampf ums Überleben. Für die Zivilbevölkerung war es der Beginn eines Albtraums, denn sie wurde plötzlich zum Freiwild für die Rachegelüste des Feindes. Dieser hasste sie so sehr, dass er ihnen kein Erbarmen zeigte. Was die Deutschen in jenen Tagen erleiden mussten, war grausamer als alles, was sie sich je hätten vorstellen können.

Im Mai 1945, kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, ereignete sich an der österreichisch-jugoslawischen Grenze eine der größten Tragödien der europäischen Geschichte. Tausende von Soldaten und Zivilisten, die sich vor der herannahenden jugoslawischen Volksbefreiungsarmee (JNA) in Sicherheit bringen wollten, wurden in oder um den Ort Bleiburg in Kärnten gefangen genommen, gefoltert, ermordet oder auf Todesmärsche geschickt. Unter den Opfern waren nicht nur Angehörige des faschistischen Unabhängigen Staates Kroatien (NDH), der Slowenischen Heimwehr und der serbisch-montenegrinischen Tschetniks, die mit dem NS-Regime kollaboriert hatten, sondern auch tausende Deutsche, die wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer politischen Gesinnung verfolgt wurden. Die genaue Zahl der Toten ist bis heute umstritten, aber Schätzungen reichen von 50.000 bis 200.000 Menschen1

Die Vorgeschichte

Die Ursachen für das Massaker von Bleiburg liegen in den komplexen politischen und ethnischen Konflikten, die Jugoslawien während des Krieges zerrissen. Nach dem Überfall der Achsenmächte auf Jugoslawien im April 1941 wurde das Land in mehrere Marionettenstaaten aufgeteilt, darunter der NDH, der von der faschistischen Ustascha-Bewegung unter Ante Pavelić regiert wurde.

Der NDH umfasste große Teile Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas und verfolgte eine Politik der gewaltsamen Ausrottung oder Vertreibung von Serben, Juden, Roma und anderen Minderheiten. Die Ustascha ermordete schätzungsweise 300.000 bis 500.000 Menschen in Konzentrationslagern wie Jasenovac oder durch Massaker in Dörfern und Städten2

Der NDH standen mehrere Widerstandsgruppen gegenüber, die um die Kontrolle des Territoriums und die Zukunft Jugoslawiens kämpften. Die wichtigsten waren die kommunistischen Partisanen unter Josip Broz Tito, die von der Sowjetunion unterstützt wurden, und die monarchistischen Tschetniks unter Draža Mihailović, die von den Westalliierten anerkannt wurden. Die Partisanen und die Tschetniks führten nicht nur einen Guerillakrieg gegen die Besatzer, sondern auch gegeneinander, wobei sie sich gegenseitig als Verräter oder Kollaborateure beschuldigten. Die Partisanen vertraten eine jugoslawische Einheit und eine sozialistische Revolution, während die Tschetniks eine serbische Dominanz und eine Wiederherstellung der Monarchie anstrebten. Beide Seiten begingen Gräueltaten an der Zivilbevölkerung, insbesondere an ethnischen oder politischen Gegnern3

In Slowenien bildete sich eine weitere Widerstandsgruppe, die Slowenische Heimwehr, die aus katholischen und konservativen Kräften bestand, die sich gegen den Kommunismus und für die Autonomie Sloweniens einsetzten. Die Heimwehr kooperierte zunächst mit den italienischen Besatzern, die ihr eine gewisse Selbstverwaltung gewährten, wandte sich aber nach dem italienischen Waffenstillstand 1943 den Deutschen zu, die ihr militärische Unterstützung versprachen. Die Heimwehr bekämpfte vor allem die Partisanen, die sie als Bedrohung für die slowenische Identität und Religion ansah. Die Partisanen wiederum betrachteten die Heimwehr als Verräter und Faschisten und führten einen erbitterten Bürgerkrieg gegen sie4

Die Deutschen spielten eine doppelte Rolle in diesem Konflikt. Einerseits waren sie die Besatzer und Unterdrücker, die die jugoslawischen Völker ausbeuteten und terrorisierten. Andererseits waren sie auch die Schutzmacht und Verbündeten einiger Widerstandsgruppen, die ihre Hilfe und Anerkennung suchten. Die Deutschen versuchten, die verschiedenen Fraktionen gegeneinander auszuspielen, um ihre eigene Macht zu sichern. Sie unterstützten sowohl den NDH als auch die Heimwehr, aber auch einige Tschetniks, die bereit waren, mit ihnen zu kollaborieren. Sie rekrutierten auch viele Freiwillige aus den lokalen Bevölkerungen, die sich aus verschiedenen Gründen den deutschen Streitkräften anschlossen, sei es aus ideologischer Überzeugung, aus Angst vor den Partisanen oder aus Hoffnung auf ein besseres Leben. Die Deutschen bildeten mehrere Einheiten aus diesen Freiwilligen, wie die 13. Waffen-Gebirgs-Division der SS „Handschar“ (kroatische Nr. 1), die aus bosnischen Muslimen bestand, oder die 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“, die aus Volksdeutschen aus dem Banat und anderen Gebieten rekrutiert wurde.

Der Verlauf der Ereignisse

Im Frühjahr 1945 war die Niederlage des Dritten Reiches absehbar. Die Rote Armee rückte von Osten her vor, die Westalliierten von Westen. Die Partisanen, die von den Alliierten als die einzige legitime Vertretung Jugoslawiens anerkannt wurden, eroberten immer mehr Gebiete von den Achsenmächten und ihren Verbündeten. Die Situation für die NDH, die Heimwehr und die Tschetniks wurde immer aussichtsloser. Sie befürchteten, dass sie nach dem Krieg von den Partisanen gerächt und vernichtet werden würden. Sie beschlossen daher, sich nach Österreich durchzuschlagen, wo sie hofften, sich den britischen Truppen ergeben zu können, die ihnen einen fairen Umgang und Schutz vor den Partisanen garantieren würden.

Die Flucht

Im Mai 1945 begann die große Flucht. Zehntausende von Soldaten und Zivilisten machten sich auf den Weg nach Norden, in Richtung der österreichischen Grenze. Die Flüchtlinge kamen aus verschiedenen Teilen Jugoslawiens, vor allem aus Kroatien, Bosnien, Slowenien und Serbien. Sie gehörten verschiedenen ethnischen und politischen Gruppen an, die oft untereinander verfeindet waren, aber nun ein gemeinsames Schicksal teilten. Unter ihnen waren Angehörige der Ustascha, der Heimwehr, der Tschetniks, der deutschen Wehrmacht und der SS, aber auch viele Zivilisten, die ihre Familien, ihr Eigentum oder ihr Leben retten wollten. Die Flüchtlinge waren schlecht organisiert, schlecht ausgerüstet und schlecht versorgt. Sie mussten sich durch unwegsames Gelände, feindliches Gebiet und Partisanen-Hinterhalte kämpfen. Viele starben unterwegs an Hunger, Durst, Erschöpfung oder Verwundungen.

Die Ankunft und die Kapitulation

Die meisten Flüchtlinge erreichten die österreichische Grenze zwischen dem 14. und dem 16. Mai 1945. Sie sammelten sich auf dem Loibacher Feld, auch Bleiburger Feld genannt, in der Nähe der Stadt Bleiburg in Kärnten. Dort erwarteten sie die britischen Truppen, die die Region besetzt hatten. Die Flüchtlinge hofften, dass die Briten ihnen Asyl oder zumindest eine humane Behandlung gewähren würden. Sie hissten weiße Fahnen und legten ihre Waffen nieder. Sie waren erleichtert, dass sie ihr Ziel erreicht hatten. Sie glaubten, dass sie dem Schlimmsten entkommen waren. Sie irrten sich.

Die Folgen

Das Massaker von Bleiburg hatte weitreichende Folgen für die Geschichte und die Erinnerungskultur Jugoslawiens und seiner Nachfolgestaaten. Die jugoslawischen Behörden versuchten, die Verbrechen zu vertuschen oder zu rechtfertigen. Sie verboten jede öffentliche Diskussion oder Trauer um die Opfer. Sie zerstörten oder versteckten die Massengräber, die über das ganze Land verstreut waren. Sie verfolgten und bestraften jeden, der die Wahrheit über Bleiburg ans Licht bringen wollte. Sie propagierten eine offizielle Geschichtsschreibung, die die Partisanen als Helden und Befreier und ihre Gegner als Faschisten und Verräter darstellte. Sie ignorierten oder leugneten die Leiden und die Identität der nicht-serbischen Völker, die unter dem kommunistischen Regime diskriminiert und unterdrückt wurden12

Die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer von Bleiburg mussten jahrzehntelang schweigen oder im Exil leben. Sie bewahrten die Erinnerung an die Tragödie in ihren Familien, ihren Gemeinschaften oder ihren Organisationen. Sie suchten nach den Gräbern ihrer Lieben oder nach Gerechtigkeit für ihre Peiniger. Sie organisierten Gedenkveranstaltungen oder Pilgerfahrten nach Bleiburg oder anderen Orten des Leidens. Sie verfassten Bücher oder Dokumentationen über die Ereignisse. Sie forderten eine Anerkennung und eine Entschädigung für das erlittene Unrecht. Sie identifizierten sich mit dem kroatischen oder slowenischen Nationalismus, der sich gegen den jugoslawischen Einheitsstaat richtete. Sie entwickelten einen Mythos von Bleiburg, der die Opferrolle und die Unschuld der Flüchtlinge betonte und die historischen und politischen Umstände ausblendete3

Die Gesellschaft und die Politik in Jugoslawien und seinen Nachfolgestaaten wurden von den Folgen von Bleiburg geprägt. Die ungelöste Vergangenheit führte zu Spannungen, Konflikten und Gewalt zwischen den verschiedenen ethnischen und ideologischen Gruppen. Die unterschiedlichen Erinnerungen und Narrative über Bleiburg wurden zu Symbolen und Instrumenten für nationale oder religiöse Identitäten oder Interessen. Die Aufarbeitung und Versöhnung mit der Vergangenheit wurde erschwert oder verhindert durch die fehlende Aufklärung, die mangelnde Empathie oder die gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die Auseinandersetzung mit Bleiburg wurde zu einem politischen oder moralischen Streitthema, das die Gesellschaft spaltete oder polarisierte. Die Bedeutung und die Lehren von Bleiburg wurden zu einer Herausforderung oder einer Chance für die Zukunft.

Quellen

: Bleiburg: Massenmord an Kroaten nach dem Zweiten Weltkrieg (Deutsche Welle, 2019) : Bleiburg and the British Role in Yugoslavia’s Bloody Post-War Reprisals (BBC, 2018) : Bleiburg: The Contested Memory of a Massacre (Eurozine, 2017) : Bleiburg: Die umstrittene Erinnerung an ein Massaker (Die Zeit, 2017)

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