Die vergessenen deutschen Übersee-Schutzgebiete – Karolinen, Marianen und Marshallinseln

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Die deutsche Kolonialgeschichte ist ein Thema, das leider im deutschen Bewusstsein gänzlich vergessen wurde. Der Grund ist die Verdrehung von Fakten über die deutsche Kolonialgeschichte im woken Zeitgeist. Dabei ist es wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten. Die deutschen Kolonien waren nicht nur Überseegebiete, die dem Deutschen Reich wirtschaftliche Vorteile bringen sollten, sondern auch Orte fernab Deutschlands der Forschung und Geschichtsbildung, die den Kolonien Sicherheit und Kultur brachten und noch heute positive Auswirkungen auf diese ehemaligen Schutzgebiete bringen.

Die deutsche Kolonialgeschichte ist oft mit Afrika und Asien verbunden, wo das Deutsche Reich im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Gebiete wie Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Neuguinea und Kiautschou erwarb. Doch weniger bekannt ist, dass Deutschland auch in der Südsee präsent war, wo es mehrere Inselgruppen als Schutzgebiete unter seine Herrschaft brachte. Zu diesen gehörten die Karolinen, die Marianen und die Marshallinseln, die heute zu den Föderierten Staaten von Mikronesien, Guam, Palau und den Marshallinseln gehören. Diese Inseln waren für Deutschland nicht nur strategisch wichtig, sondern auch kulturell und wissenschaftlich faszinierend. Doch wie kam es dazu, dass Deutschland diese Inseln erwarb, wie gestaltete es seine Kolonialpolitik dort und was geschah mit ihnen nach dem Ersten Weltkrieg? Dieser Artikel versucht, diese Fragen zu beantworten und einen Einblick in die vergessenen deutschen Übersee-Schutzgebiete zu geben.

Die Erwerbung der Inseln

Die deutschen Interessen in der Südsee wurden vor allem durch das Hamburger Handelshaus Joh. Ces. Godeffroy & Sohn geweckt, das seit 1857 eine Faktorei auf den Samoainseln gründete und ein Handelsnetz aufbaute, das 45 Stationen auf verschiedenen Inseln umfasste. Die Firma handelte vor allem mit Kopra, Perlen, Sandelholz und anderen Produkten, die in Europa gefragt waren. Um seine Handelsinteressen zu schützen, suchte Godeffroy die Unterstützung der deutschen Regierung, die jedoch zunächst kein Interesse an einer Kolonialisierung der Südsee zeigte. Erst unter Reichskanzler Otto von Bismarck änderte sich die Haltung, als dieser 1884 eine neue Kolonialpolitik einleitete, um dem internationalen Wettbewerb um Kolonien zu begegnen. Bismarck erkannte den Wert der Südseeinseln als Zwischenstationen für den Handel und die Schifffahrt, als Absatzmärkte für deutsche Produkte und als Quellen für Rohstoffe und Arbeitskräfte. Außerdem wollte er verhindern, dass andere Mächte, vor allem Großbritannien und Frankreich, die Inseln besetzten und Deutschland ausschlossen.

Um seine Ansprüche zu sichern, schloss Bismarck 1885 einen Vertrag mit Spanien, das damals die nominelle Oberhoheit über die Karolinen, die Marianen und die Palauinseln hatte, aber kaum in der Lage war, diese zu kontrollieren. Der Vertrag erlaubte Deutschland, Handelsstationen auf den Inseln zu errichten und diese unter seinen Schutz zu stellen. Im Gegenzug zahlte Deutschland eine Entschädigung von 25 Millionen Peseten an Spanien. Im selben Jahr erwarb Deutschland auch die Marshallinseln von Spanien, die zuvor von Godeffroy gepachtet worden waren. Damit hatte Deutschland seinen Einflussbereich in der Südsee erheblich erweitert und sich als Kolonialmacht etabliert.

Die Verwaltung der Inseln

Die deutschen Schutzgebiete in der Südsee wurden zunächst von der Neuguinea-Kompagnie verwaltet, die 1884 gegründet worden war, um die deutschen Besitzungen in Neuguinea und dem Bismarck-Archipel zu erschließen. Die Kompagnie war jedoch finanziell und personell überfordert, die Inseln effektiv zu kontrollieren und zu entwickeln. Sie stieß auf den Widerstand der einheimischen Bevölkerung, die sich gegen die Einmischung in ihre traditionellen Lebensweisen und die Ausbeutung ihrer Ressourcen wehrte. Die Kompagnie war auch nicht in der Lage, die deutschen Interessen gegen die Konkurrenz anderer Mächte zu verteidigen, die ebenfalls in der Südsee aktiv waren. So kam es 1889 zu einem Konflikt mit Großbritannien um die Insel Nauru, die reich an Phosphat war. Die Briten besetzten die Insel und erklärten sie zu ihrem Protektorat. Deutschland musste sich mit einem Drittel der Phosphatvorkommen zufriedengeben, die es sich mit Großbritannien und Australien teilte.

1899 übernahm das Deutsche Reich die direkte Verwaltung der Südseeinseln von der Neuguinea-Kompagnie und ernannte einen Gouverneur mit Sitz in Herbertshöhe (heute Kokopo) auf Neupommern (heute Neubritannien). Der Gouverneur war für alle deutschen Schutzgebiete in der Südsee zuständig, mit Ausnahme von Deutsch-Samoa, das einen eigenen Gouverneur hatte. Der Gouverneur wurde von einem Reichskommissar für die Karolinen, Marianen und Marshallinseln unterstützt, der seinen Sitz in Ponape (heute Pohnpei) hatte. Die Verwaltung war jedoch sehr dünn gesät und beschränkte sich auf wenige Stationen, die oft nur von einem deutschen Beamten und einigen Polizisten besetzt waren. Die meisten Inseln wurden nur sporadisch besucht und blieben weitgehend sich selbst überlassen. Die deutsche Präsenz war daher eher symbolisch als effektiv.

Die Entwicklung der Inseln

Die deutschen Schutzgebiete in der Südsee waren für Deutschland wirtschaftlich nicht sehr bedeutend. Der Handel war gering und die Ausfuhr beschränkte sich hauptsächlich auf Kopra, Perlen, Phosphat und einige andere Produkte. Die Einfuhr bestand vor allem aus Lebensmitteln, Kleidung, Waffen und Alkohol. Die deutschen Unternehmen, die in der Südsee tätig waren, waren meist klein und unrentabel. Die größte war die Jaluit-Gesellschaft, die 1887 gegründet wurde und die Marshallinseln als ihr Monopolgebiet hatte. Die Gesellschaft betrieb Plantagen, Handelsstationen, Schiffe und eine Funkstation. Sie war auch für die Verwaltung der Inseln verantwortlich, bis diese 1906 vom Reich übernommen wurde. Die Jaluit-Gesellschaft war jedoch ständig in finanziellen Schwierigkeiten und musste mehrmals vom Reich gerettet werden.

Die deutsche Kolonialpolitik in der Südsee war daher eher defensiv und konservativ. Sie zielte darauf ab, die deutschen Interessen zu schützen, die bestehenden Strukturen zu erhalten und die Kosten zu minimieren. Es gab wenig Anstrengungen, die Inseln zu modernisieren, die Infrastruktur zu verbessern oder die einheimische Bevölkerung zu erziehen oder zu christianisieren. Die Deutschen respektierten im Allgemeinen die traditionellen Autoritäten, Sitten und Religionen der Inselbewohner und griffen nur ein, wenn es zu Konflikten oder Unruhen kam. Die Deutschen versuchten auch, die Einwanderung von Europäern und Asiaten zu begrenzen, um die ethnische Homogenität der Inseln zu bewahren. Die deutsche Bevölkerung in der Südsee war daher sehr klein und bestand hauptsächlich aus Beamten, Händlern, Missionaren und Abenteurern.

Die deutsche Kultur und Sprache hatten daher nur einen geringen Einfluss auf die Inseln. Die meisten Inselbewohner sprachen weiterhin ihre eigenen Sprachen oder Pidgin-Englisch als Lingua Franca. Die deutsche Schule war nur für wenige einheimische Kinder zugänglich, die meist aus den oberen Schichten stammten. Die deutsche Mission war ebenfalls schwach und konnte nur wenige Konvertiten gewinnen. Die meisten Inselbewohner blieben ihren traditionellen Glaubensvorstellungen treu oder schlossen sich den amerikanischen oder britischen Missionen an, die schon länger in der Südsee tätig waren. Die deutsche Kunst und Literatur fanden ebenfalls wenig Resonanz in der Südsee.

Die Erforschung der Inseln

Die deutschen Schutzgebiete in der Südsee waren nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch kulturell und wissenschaftlich von Interesse. Die Deutschen waren fasziniert von der Vielfalt und Schönheit der Natur und der Kultur der Inselbewohner, die sie als exotisch und geheimnisvoll empfanden. Die Deutschen wollten die Inseln erforschen, dokumentieren und verstehen, um ihr Wissen über die Welt zu erweitern und ihren eigenen Platz in ihr zu definieren.

Zu diesem Zweck unternahmen die Deutschen mehrere wissenschaftliche Expeditionen in die Südsee, die von verschiedenen Institutionen, wie der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, dem Museum für Völkerkunde und dem Reichskolonialamt, gefördert wurden. Die Expeditionen bestanden aus Geographen, Ethnologen, Anthropologen, Linguisten, Botanikern, Zoologen, Medizinern und anderen Fachleuten, die die Inseln bereisten, die Flora und Fauna sammelten, die Menschen beobachteten, befragten und vermessen, die Sprachen aufzeichneten, die Kunst und Religion studierten und die Geschichte und Gesellschaft analysierten. Die Ergebnisse ihrer Forschungen wurden in zahlreichen Büchern, Zeitschriften, Karten, Fotos, Filmen und Ausstellungen veröffentlicht und präsentiert, die das deutsche Publikum über die Südsee informierten und beeindruckten.

Zu den bekanntesten deutschen Forschern, die die Südsee erforschten, gehörten Augustin Krämer, Georg Thilenius, Paul Hambruch, Ernst Sarfert, Wilhelm Müller-Wismar, Otto Finsch, Hugo Zöller, Richard Parkinson, Otto Reche, Felix Speiser, Max Weber, Wilhelm Kükenthal und Bernhard Hagen. Sie leisteten wichtige Beiträge zur Erforschung der Geographie, Ethnographie, Anthropologie, Linguistik, Botanik, Zoologie, Medizin und Kunst der Südseeinseln. Sie sammelten auch eine große Menge an Materialien, die heute in verschiedenen deutschen Museen und Archiven aufbewahrt werden.

Diese Materialien sind nicht nur wissenschaftlich wertvoll, sondern auch kulturell bedeutsam, da sie die materiellen und immateriellen Zeugnisse der Inselkulturen darstellen, die oft durch den Kolonialismus, den Krieg und die Globalisierung verändert oder zerstört wurden. Die deutschen Forscher waren jedoch nicht nur objektive Beobachter, sondern auch aktive Akteure, die die Inseln und ihre Bewohner nach ihren eigenen Vorstellungen und Interessen gestalteten. Sie beeinflussten die Inselkulturen durch ihre Anwesenheit, ihre Fragen, ihre Geschenke, ihre Vermittlung, ihre Kritik und ihre Bewunderung. Sie prägten auch das deutsche Bild von der Südsee, das oft von Stereotypen, Fantasien und Projektionen geprägt war. Die deutsche Forschung in der Südsee war daher nicht nur ein wissenschaftlicher, sondern auch ein kultureller und politischer Prozess, der die Beziehungen zwischen Deutschland und der Südsee formte und reflektierte.

Das Ende der deutschen Herrschaft

Die deutschen Schutzgebiete in der Südsee wurden durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 bedroht. Die Alliierten, vor allem Großbritannien, Frankreich, Japan und Australien, sahen die Gelegenheit, die deutschen Kolonien zu erobern und ihre eigenen Interessen in der Region zu stärken. Die Deutschen waren militärisch und zahlenmäßig unterlegen und konnten nur wenig Widerstand leisten.

Die meisten Inseln wurden innerhalb weniger Monate von den Alliierten besetzt. Die Marianen, die Karolinen und die Palauinseln fielen an Japan, das sie als Teil seines Südseemandats verwaltete. Die Marshallinseln, Nauru, Neu-Guinea, der Bismarck-Archipel und die nördlichen Salomonen wurden von Australien besetzt, das sie als Teil seines Territoriums von Neuguinea verwaltete. Die deutschen Samoainseln wurden von Neuseeland besetzt, das sie als Teil seines Mandats von Westsamoa verwaltete. Die deutschen Schutzgebiete in der Südsee hörten damit auf zu existieren.

Die deutsche Herrschaft in der Südsee war kurz und ambivalent. Sie hinterließ nur wenige Spuren in der Landschaft, der Wirtschaft, der Kultur und der Sprache der Inselbewohner. Die Deutschen waren weder brutale Unterdrücker noch wohlwollende Förderer der Inseln. Sie waren eher pragmatische und passive Verwalter, die sich mehr für den Schutz als für die Entwicklung ihrer Kolonien interessierten. Die Deutschen waren jedoch auch neugierige und respektvolle Erforscher, die die Inseln und ihre Bewohner wissenschaftlich und kulturell dokumentierten und würdigten. Die Deutschen waren somit Teil der komplexen und vielfältigen Geschichte der Südsee, die von vielen Kontakten, Konflikten und Kooperationen zwischen verschiedenen Völkern und Nationen geprägt war.

Quellen:

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