Katastrophen der Menschheit – Der Karatschai-See: Der tödlichste See der Welt

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Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen.

Der Karatschai-See im südlichen Ural in Russland ist kein gewöhnlicher See. Er ist der am stärksten verschmutzte Ort der Erde, der eine tödliche Gefahr für Mensch und Natur darstellt. Der Grund dafür ist die radioaktive Verseuchung, die durch die Abfälle der nahen Atomanlage Majak verursacht wurde. Der See, der nahe der Stadt Kyschtym in der Region Tscheljabinsk liegt, wurde ab 1948 als Depot für nuklearen Abfall genutzt. In den frühen 90er Jahren soll die Strahlenbelastung dort sogar so extrem gewesen sein, dass schon eine Stunde Aufenthalt am Ufer des Sees den Tod bedeutete1.

Die Majak-Katastrophe von 1957

Die Atomanlage Majak war eine der ersten sowjetischen Anlagen zur Produktion von Plutonium für Atomwaffen. Sie wurde unter strenger Geheimhaltung errichtet und war auf keiner Landkarte verzeichnet. Die Anlage war jedoch nicht sicher und entsorgte ihren radioaktiven Müll ohne Rücksicht auf die Umwelt. Ein Teil davon wurde in den Karatschai-See geleitet, ein anderer Teil in Tanks deponiert. Am 29. September 1957 kam es zu einer verheerenden Explosion in einem dieser Tanks, die 80 Tonnen radioaktiver Flüssigkeit enthielt. Die Explosion warf eine radioaktive Wolke in die Luft, die sich über ein Gebiet von etwa 23.000 Quadratkilometern ausbreitete. Das Unglück, das als Kyschtym-Unfall bekannt wurde, war die weltweit bislang größte nukleare Katastrophe, die mehr Radioaktivität freisetzte als die Tschernobyl-Katastrophe 19862.

Die sowjetische Regierung versuchte, den Unfall zu vertuschen und die Folgen zu minimieren. Die Bevölkerung wurde nicht informiert, die Evakuierung erfolgte erst nach mehreren Tagen und war unzureichend. Schätzungen zufolge wurden etwa 270.000 Menschen einer hohen Strahlendosis ausgesetzt, die zu zahlreichen Erkrankungen und Todesfällen führte. Die Region um die Anlage wurde als Sperrgebiet erklärt und ist bis heute unter militärischer Kontrolle. Der Unfall wurde erst 1976 durch den sowjetischen Dissidenten und Nobelpreisträger Andrei Sacharow öffentlich gemacht3.

Die Staubsturm-Katastrophe von 1967

Der Karatschai-See, der bereits durch die Abfälle der Anlage stark verstrahlt war, wurde durch den Kyschtym-Unfall noch weiter belastet. In den 60er Jahren begann der See auszutrocknen und schrumpfte auf ein Fünftel seiner ursprünglichen Größe. 1967 kam es zu einer weiteren Katastrophe, als heftige Sturmböen den radioaktiven Staub aus dem ausgetrockneten Areal des Sees über ein Gebiet von rund 1800 Quadratkilometern wehten. So wurden eine halbe Million Menschen einer Strahlendosis ausgesetzt, die etwa so hoch gewesen sein soll wie in Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe. Die radioaktive Kontamination betraf vor allem die Flüsse Tetscha und Isset, die das Trinkwasser für die umliegenden Städte lieferten. Die Folgen waren verheerend: Die Zahl der Krebserkrankungen, Leukämien und Fehlbildungen stieg dramatisch an.

Die Versuche der Sanierung

Um eine weitere Ausbreitung der Radioaktivität zu verhindern, wurde der See zwischen 1978 und 1986 mit Betonhohlkörpern verfüllt und 2015 schließlich vollständig abgedeckt, um eine weitere Bewegung der Sedimente zu verhindern und zu vermeiden, dass erneut radioaktiver Staub austritt1. Die Anlage Majak wurde nach dem Unfall teilweise stillgelegt und teilweise modernisiert. Sie produziert heute kein Plutonium mehr, sondern dient der Wiederaufbereitung von Brennelementen aus Kernkraftwerken. Die Anlage ist jedoch immer noch umstritten, da sie weiterhin radioaktiven Abfall produziert und lagert. Zudem gab es in den vergangenen Jahren mehrere Zwischenfälle, die zu erhöhten Strahlenwerten in der Umgebung führten.

Die Langzeitfolgen der Strahlenbelastung durch den Karatschai-See sind in der Region heute noch zu spüren. Seit der See zum ersten Mal als Depot für nuklearen Abfall genutzt wurde, ist laut der französischen Tageszeitung „Ouest-France“ die Zahl der Krebserkrankten in der Region um 21 Prozent gestiegen. Es wurden sogar 41 Prozent mehr Leukämie-Erkrankungen verzeichnet. Die Zahl der Fehlbildungen nahm um 25 Prozent zu. Forscher befürchten zudem, dass das Wasser des Sees über das Grundwasser schließlich mit dem Fluss Tetscha in Kontakt kommt – und auf diese Weise in den Arktischen Ozean gelangt1.

Fazit

Der Karatschai-See ist ein trauriges Beispiel dafür, wie der Mensch durch seine rücksichtslose Nutzung der Atomenergie eine ökologische Katastrophe verursacht hat, die noch Generationen lang spürbar sein wird. Der See ist ein Mahnmal für die Gefahren der Kernwaffen und der Nuklearindustrie, die nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit und das Leben von Millionen von Menschen bedrohen. Der See ist auch ein Symbol für das Versagen der Politik, die die Wahrheit über den Unfall jahrzehntelang verschwiegen und die Opfer im Stich gelassen hat. Der See ist schließlich eine Herausforderung für die Wissenschaft, die nach Wegen suchen muss, um die radioaktive Verseuchung zu reduzieren und die betroffene Region zu sanieren.

Quelle

https://de.wikipedia.org/wiki/Karatschai-See

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