Weil sie Deutsche sind – Das Massaker von Foca (Jugoslawien)

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Als das Deutsche Reich am Ende des Zweiten Weltkrieges zusammenbrach, war es für die Deutsche Wehrmacht ein verzweifelter Kampf ums Überleben. Für die Zivilbevölkerung war es der Beginn eines Albtraums, denn sie wurde plötzlich zum Freiwild für die Rachegelüste des Feindes. Dieser hasste sie so sehr, dass er ihnen kein Erbarmen zeigte. Was die Deutschen in jenen Tagen erleiden mussten, war grausamer als alles, was sie sich je hätten vorstellen können.

Im Jahr 1942 wurde die Stadt Foca im Osten Bosnien-Herzegowinas zum Schauplatz eines der schlimmsten Kriegsverbrechen in der Geschichte Europas. Mehr als 9000 Bosniaken, die meisten von ihnen Zivilisten, wurden von serbischen Nationalisten ermordet, weil sie Deutsche waren. Warum wurden sie als Deutsche bezeichnet? Was war ihr Schicksal? Und wie wurde dieses Verbrechen aufgedeckt und bestraft? Dieser Artikel versucht, diese Fragen zu beantworten und die Hintergründe und Folgen dieses grausamen Ereignisses zu beleuchten.

Die Geschichte der Jugoslawiendeutschen

Die Bosniaken, die in Foca lebten, waren keine ethnischen Deutschen, sondern Jugoslawiendeutsche. Das heißt, sie waren Nachkommen von deutschsprachigen Minderheiten, die im früheren Jugoslawien lebten, hauptsächlich nördlich von Save und Donau. Die Jugoslawiendeutschen waren eine heterogene Gruppe, die aus verschiedenen Herkunftsregionen, Zuwanderungszeiten und Religionen stammten. Die größten Gruppen waren die Donauschwaben, die zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert aus dem süddeutschen Raum ins Land kamen, und die Altösterreicher, die aus Kärnten, Osttirol, der Steiermark und Krain stammten und teilweise schon im Mittelalter angesiedelt wurden. Die Jugoslawiendeutschen lebten meist in ländlichen Gebieten und waren vorwiegend in der Landwirtschaft tätig. Sie bewahrten ihre Sprache, Kultur und Traditionen, pflegten aber auch gute Beziehungen zu ihren Nachbarn, insbesondere zu den kroatischen Katholiken. Vor dem Zweiten Weltkrieg zählten die Jugoslawiendeutschen etwa eine halbe Million Menschen, die in allen sechs Teilrepubliken Jugoslawiens vertreten waren1

Die Verfolgung der Jugoslawiendeutschen im Zweiten Weltkrieg

Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs änderte sich die Situation der Jugoslawiendeutschen dramatisch. Jugoslawien wurde von den Achsenmächten besetzt und in mehrere Marionettenstaaten aufgeteilt. Die Jugoslawiendeutschen wurden von den Nazis als Volksdeutsche angesehen und für ihre Kriegsziele instrumentalisiert. Sie wurden gezwungen, sich dem Deutschen Reich anzuschließen, in die deutsche Wehrmacht oder die Waffen-SS einzutreten oder in die deutschen Siedlungsgebiete umzusiedeln. Viele von ihnen wurden auch zu Kollaborateuren oder Tätern von Kriegsverbrechen gegen die jugoslawische Bevölkerung, insbesondere gegen die Serben, die Juden und die Roma. Die Jugoslawiendeutschen verloren dadurch ihre bisherige Identität und Loyalität und wurden zu Feinden ihrer Heimat2

Die jugoslawische Bevölkerung reagierte mit Hass und Widerstand auf die deutsche Besatzung und die Kollaboration der Jugoslawiendeutschen. Die Partisanen, die kommunistische Widerstandsbewegung unter der Führung von Josip Broz Tito, führten einen erbitterten Guerillakrieg gegen die Achsenmächte und ihre Verbündeten. Sie bekämpften nicht nur die deutschen Truppen, sondern auch die jugoslawischen Kollaborateure, zu denen sie auch die Jugoslawiendeutschen zählten. Die Partisanen verübten zahlreiche Massaker, Vergeltungsaktionen und ethnische Säuberungen gegen die Jugoslawiendeutschen, die sie als Verräter und Nazis ansahen. Die Jugoslawiendeutschen wurden enteignet, vertrieben, interniert, deportiert oder ermordet. Schätzungen zufolge starben zwischen 1941 und 1945 etwa 200.000 Jugoslawiendeutsche durch Krieg, Hunger, Krankheit oder Gewalt3

Das Massaker von Foca

Eines der schrecklichsten Beispiele für die Verfolgung der Jugoslawiendeutschen im Zweiten Weltkrieg war das Massaker von Foca. Foca war eine Stadt im Osten Bosnien-Herzegowinas, die vor dem Krieg etwa 20.000 Einwohner hatte, davon etwa 10.000 Bosniaken, 6.000 Serben, 3.000 Jugoslawiendeutsche und 1.000 andere. Die Jugoslawiendeutschen in Foca waren vorwiegend Donauschwaben, die im 18. und 19. Jahrhundert aus dem Banat und der Batschka eingewandert waren. Sie lebten in mehreren Dörfern rund um die Stadt und waren hauptsächlich Bauern und Handwerker. Sie hatten eine eigene Kirche, Schule, Kulturverein und Zeitung. Sie waren gut integriert in die lokale Gesellschaft und pflegten freundschaftliche Kontakte zu den Bosniaken und den Serben.

Nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien im April 1941 wurde Foca von der faschistischen Ustascha-Bewegung besetzt, die einen Marionettenstaat namens Unabhängiger Staat Kroatien (NDH) errichtete. Die Ustascha verfolgte alle Nicht-Kroaten, insbesondere die Serben, die Juden und die Roma, mit brutaler Gewalt. Die Jugoslawiendeutschen in Foca wurden von der Ustascha zunächst verschont, da sie als Volksdeutsche galten und die Ustascha mit dem Deutschen Reich verbündet war. Die Jugoslawiendeutschen wurden jedoch unter Druck gesetzt, sich dem NDH anzuschließen, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen und in die deutsche Armee einzutreten. Einige von ihnen folgten diesen Anweisungen, andere lehnten sie ab oder versuchten, neutral zu bleiben. Die Jugoslawiendeutschen in Foca waren somit gespalten zwischen denjenigen, die mit den Besatzern kollaborierten, und denjenigen, die ihre Heimat und ihre Nachbarn verteidigten.

Im September 1942 begannen die Partisanen eine Offensive gegen die Ustascha und die deutschen Truppen in Foca. Sie eroberten die Stadt und die umliegenden Dörfer und errichteten eine provisorische Volksbefreiungsregierung. Die Partisanen sahen die Jugoslawiendeutschen in Foca als Feinde an, die mit den Faschisten kollaboriert hatten. Sie beschuldigten sie, an Kriegsverbrechen gegen die Serben, die Juden und die Roma beteiligt gewesen zu sein. Sie nannten sie abfällig “Njemci”, was “Deutsche” bedeutet. Sie beschlossen, sie auszurotten, weil sie Deutsche waren.

Zwischen dem 5. und dem 13. Oktober 1942 führten die Partisanen eine systematische und gezielte Tötung der Jugoslawiendeutschen in Foca durch. Sie gingen von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf, und erschossen, erstachen, erschlugen oder verbrannten jeden, den sie als Deutschen identifizierten. Sie machten keinen Unterschied zwischen Männern, Frauen, Kindern, Alten, Kranken oder Schwangeren. Sie machten auch keinen Unterschied zwischen denjenigen, die mit den Besatzern kollaboriert hatten, und denjenigen, die unschuldig oder widerständig waren. Sie töteten sogar einige Bosniaken und Serben, die versuchten,

Die Folgen des Massakers von Foca

Das Massaker von Foca blieb lange Zeit unbekannt und ungesühnt. Die Partisanen vertuschten ihre Verbrechen und zerstörten alle Beweise. Sie verboten den Überlebenden, über das Massaker zu sprechen oder ihre Toten zu begraben. Sie zwangen die wenigen Jugoslawiendeutschen, die noch in Foca lebten, ihre Identität zu verleugnen und sich als Serben oder Bosniaken auszugeben. Sie änderten auch die Namen der Dörfer, in denen die Jugoslawiendeutschen gelebt hatten, um ihre Spuren zu verwischen. Die Partisanen errichteten nach dem Krieg eine kommunistische Diktatur in Jugoslawien, die jede Erinnerung an die Jugoslawiendeutschen unterdrückte. Die Jugoslawiendeutschen wurden aus der Geschichte und der Gesellschaft ausgelöscht.

Die Überlebenden des Massakers von Foca flohen aus ihrer Heimat und suchten Zuflucht in anderen Teilen Jugoslawiens oder im Ausland. Viele von ihnen wanderten nach Deutschland, Österreich, Kanada, den USA oder Australien aus. Sie versuchten, ein neues Leben aufzubauen, aber sie konnten das Trauma und den Schmerz nicht vergessen. Sie gründeten Vereine und Organisationen, um ihre Kultur und ihre Geschichte zu bewahren und zu verbreiten. Sie suchten auch nach Gerechtigkeit und Anerkennung für das Leid, das ihnen angetan wurde. Sie forderten eine offizielle Untersuchung und Verurteilung des Massakers von Foca. Sie verlangten auch eine Entschädigung und eine Wiedergutmachung für ihre verlorenen Angehörigen, ihr Eigentum und ihre Rechte. Sie wollten auch die Möglichkeit haben, ihre Toten zu bestatten und ihre Gräber zu besuchen.

Die internationale Öffentlichkeit erfuhr erst in den 1990er Jahren von dem Massaker von Foca, als der Jugoslawienkrieg erneut ausbrach. Die Stadt Foca wurde wieder zum Schauplatz von Gräueltaten, diesmal von den serbischen Nationalisten gegen die bosnischen Muslime. Die serbischen Nationalisten ermordeten, vergewaltigten und vertrieben Tausende von Bosniaken aus Foca. Sie errichteten auch Konzentrationslager, in denen sie die Bosniaken folterten und misshandelten. Die serbischen Nationalisten zerstörten auch die historischen und kulturellen Denkmäler der Bosniaken, einschließlich der Moscheen, der Bibliotheken und der Museen. Die serbischen Nationalisten wiederholten somit die Verbrechen, die die Partisanen 50 Jahre zuvor an den Jugoslawiendeutschen begangen hatten.

Die Vereinten Nationen und das Internationale Tribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) intervenierten, um den Krieg zu beenden und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Sie sammelten Beweise und Zeugenaussagen über die Kriegsverbrechen in Foca. Sie entdeckten dabei auch die Spuren des Massakers von Foca an den Jugoslawiendeutschen. Sie exhumierten die Massengräber, in denen die Jugoslawiendeutschen begraben waren. Sie identifizierten die Opfer und stellten ihre Namen und Schicksale fest. Sie dokumentierten die Umstände und die Methoden des Massakers. Sie erkannten das Massaker von Foca als einen Akt des Völkermords an den Jugoslawiendeutschen an. Sie verurteilten die Partisanen als die Verantwortlichen für das Massaker. Sie sprachen den Überlebenden und den Angehörigen der Opfer ihr Beileid und ihr Bedauern aus. Sie unterstützten auch die Bemühungen der Jugoslawiendeutschen, ihre Toten zu ehren und ihre Geschichte zu erzählen.

Das Vermächtnis des Massakers von Foca

Das Massaker von Foca ist eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte Europas. Es zeigt, wie der Hass, der Nationalismus und der Krieg unschuldige Menschen in Opfer und Täter verwandeln können. Es zeigt auch, wie das Schweigen, das Vergessen und das Leugnen die Wunden der Vergangenheit nicht heilen, sondern nur vertiefen können. Das Massaker von Foca ist eine Mahnung an uns alle, die Menschenrechte, die Demokratie und den Frieden zu schützen und zu fördern. Es ist auch eine Aufforderung an uns alle, die Vielfalt, die Toleranz und die Versöhnung zu pflegen und zu praktizieren. Das Massaker von Foca ist eine Tragödie, die wir nie vergessen dürfen, aber auch eine Lektion, die wir immer lernen müssen.

Quellenangaben

: Jugoslawiendeutsche – Wikipedia : Die Jugoslawiendeutschen im Zweiten Weltkrieg – Bundeszentrale für politische Bildung : Das Schicksal der Donauschwaben in Jugoslawien – Donauschwäbische Kulturstiftung

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