Vergessene Genozide im Jugoslawienkrieg – Konzentrationslager Vilina Vlas

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Genozide sind die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die je begangen wurden. Sie zeugen von Hass, Intoleranz und Grausamkeit gegenüber bestimmten Gruppen von Menschen, die aufgrund ihrer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Zugehörigkeit verfolgt und vernichtet werden sollen. Doch nicht alle Genozide sind gleich bekannt oder anerkannt. Viele von ihnen sind vergessen oder verdrängt worden, sowohl von den Tätern als auch von der Weltöffentlichkeit. In dieser Artikelreihe wollen wir einige dieser vergessenen Genozide vorstellen und ihre Ursachen, Folgen und Aufarbeitung beleuchten.

Der Jugoslawienkrieg war eine Reihe von blutigen Konflikten, die zwischen 1991 und 2001 auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien ausbrachen. Die Kriege waren geprägt von ethnischen, religiösen und politischen Spannungen, die zu zahlreichen Gräueltaten, Vertreibungen und Massakern führten. Eines der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte Europas war der Völkermord von Srebrenica, bei dem im Juli 1995 mehr als 8.000 bosnische Muslime von serbischen Truppen unter dem Kommando von Ratko Mladić ermordet wurden1.

Doch Srebrenica war nicht das einzige Massaker, das während des Bosnienkriegs (1992-1995) verübt wurde. Es gab viele andere Orte des Schreckens, die oft vergessen oder verdrängt werden. Einer dieser Orte war das Konzentrationslager Vilina Vlas, das sich in der Nähe der Stadt Višegrad im Osten Bosniens befand.

Das Lager wurde von der bosnisch-serbischen Armee und der paramilitärischen Gruppe “Weiße Adler” betrieben, die für ihre Brutalität und Grausamkeit berüchtigt waren. Das Lager war Teil eines systematischen Plans zur ethnischen Säuberung der bosnischen Muslime aus der Region.

Das Lager Vilina Vlas war ursprünglich ein Hotel und ein Thermalbad, das in den 1980er Jahren als Drehort für den Film “Die Brücke über die Drina” diente, der auf dem gleichnamigen Roman von Ivo Andrić basiert. Der Roman erzählt die Geschichte der multiethnischen Stadt Višegrad über mehrere Jahrhunderte hinweg und thematisiert die wechselnden Schicksale ihrer Bewohner unter verschiedenen Herrschern und Kulturen. Ironischerweise wurde das Hotel, das ein Symbol für die kulturelle Vielfalt und Toleranz war, zu einem Ort des Leidens und des Todes für Tausende von bosnischen Muslimen.

Das Lager Vilina Vlas wurde im April 1992 eingerichtet, kurz nachdem die serbischen Kräfte die Kontrolle über Višegrad übernommen hatten. Die bosnischen Muslime wurden aus ihren Häusern vertrieben oder getötet, ihre Moscheen zerstört oder in orthodoxe Kirchen umgewandelt, ihre Geschäfte geplündert oder niedergebrannt. Diejenigen, die gefangen genommen wurden, wurden in das Lager gebracht, wo sie Folter, Vergewaltigung, Hunger und Misshandlung ausgesetzt waren. Die meisten Opfer waren Frauen und Kinder, die als lebende Schutzschilde oder Sexsklaven benutzt wurden. Die Männer wurden entweder sofort erschossen oder zu Zwangsarbeit gezwungen.

Die genaue Zahl der Opfer des Lagers Vilina Vlas ist nicht bekannt, da viele Leichen in der Drina entsorgt oder in Massengräbern versteckt wurden. Schätzungen zufolge wurden zwischen 3.000 und 5.000 Menschen in dem Lager getötet oder starben an den Folgen ihrer Verletzungen oder Krankheiten. Nur wenige überlebten das Martyrium und konnten später als Zeugen vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) aussagen. Einer dieser Zeugen war Bakira Hasečić, die als 24-jährige Mutter von zwei Kindern mehrmals vergewaltigt wurde und mit ansehen musste, wie ihre Familie ermordet wurde. Sie gründete später die Vereinigung der Frauenopfer des Krieges, um die Wahrheit über das Geschehene ans Licht zu bringen und Gerechtigkeit für die Opfer zu fordern.

Das Lager Vilina Vlas wurde im Dezember 1992 geschlossen, nachdem es von internationalen Journalisten entdeckt wurde. Die serbischen Behörden versuchten, die Spuren des Verbrechens zu verwischen, indem sie das Hotel renovierten und wiedereröffneten. Das Hotel ist bis heute in Betrieb und bietet seinen Gästen einen Wellness- und Erholungsaufenthalt an. Auf der Website des Hotels wird jedoch kein Wort über die dunkle Vergangenheit des Ortes verloren.

Das Konzentrationslager Vilina Vlas ist ein Beispiel für die vergessenen Genozide im Jugoslawienkrieg, die oft im Schatten von Srebrenica stehen. Doch die Opfer von Vilina Vlas verdienen es, nicht vergessen zu werden, sondern als Zeugen für die Grausamkeit und Unmenschlichkeit zu dienen, die Menschen anderen Menschen antun können. Sie verdienen es auch, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden, die bis heute größtenteils ungestraft geblieben sind. Nur so kann ein Prozess der Versöhnung und des Friedens in einer Region beginnen, die immer noch von den Narben des Krieges gezeichnet ist.

Quellen:

2: Jugoslawienkriege – Wikipedia 3: KZ Jasenovac – Wikipedia 1: Massaker von Srebrenica – Wikipedia : The forgotten victims of ethnic cleansing in Bosnia – BBC News : The Bridge on the Drina – Wikipedia : Bosnia’s rape babies: abandoned by their families, forgotten by the state – The Guardian : Višegrad genocide – Wikipedia : Bakira Hasečić: A Bosnian woman who fights for justice for rape victims – Al Jazeera : Vilina Vlas Hotel & Spa – Official Website

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