Katastrophen der Menschheit – Erdbeben von Agadir/Marokko am 29.02.1960

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Es war ein Montagabend, der 29. Februar 1960, als die Erde in Marokko bebte. Um 23:41 Uhr erschütterte ein heftiges Erdbeben die Hafenstadt Agadir und verwandelte sie in eine Trümmerwüste. Das Beben dauerte nur 15 Sekunden, aber es kostete etwa 15.000 Menschen das Leben und machte Zehntausende obdachlos. Es war die schwerste Naturkatastrophe in der Geschichte Marokkos und eine der schlimmsten in der Welt.

Die Ursache des Erdbebens

Agadir liegt an der Atlantikküste im Südwesten Marokkos, in einer geologisch aktiven Zone, wo die afrikanische Platte mit der eurasischen Platte kollidiert. Die Spannungen zwischen den Platten bauen sich über lange Zeiträume auf und entladen sich manchmal in Form von Erdbeben. Das Erdbeben von Agadir hatte eine Magnitude von 5,7 auf der Richterskala, was im Vergleich zu anderen schweren Erdbeben relativ gering ist. Allerdings lag das Epizentrum des Bebens direkt unter der Stadt, die aus vielen alten und baufälligen Gebäuden bestand. Die Intensität des Bebens wurde auf der Mercalli-Skala mit X (extrem) bewertet, was bedeutet, dass fast alle Gebäude zerstört oder schwer beschädigt wurden1.

Die betroffenen Städte und Orte

Das Erdbeben von Agadir traf vor allem die Altstadt, die aus einer Kasbah (Festung) und einem Medina (Marktviertel) bestand. Die Kasbah war ein historisches Monument, das im 16. Jahrhundert von den Portugiesen erbaut wurde. Die Medina war das Herz der Stadt, wo sich die meisten Geschäfte, Moscheen und Wohnhäuser befanden. Beide Teile der Stadt wurden fast vollständig dem Erdboden gleichgemacht. Nur wenige Gebäude blieben stehen, wie die Moschee Mohammed V., die Kathedrale Sainte-Anne und das Hotel Saada2. Die Neustadt, die sich südlich der Altstadt erstreckte, wurde ebenfalls schwer getroffen, vor allem die Wohnviertel Founti und Yachech3. Das Erdbeben war auch in anderen Orten zu spüren, wie in Taroudant, Tiznit, Essaouira und Marrakesch, aber dort gab es nur geringe Schäden4.

Die Rettungsarbeiten

Das Erdbeben von Agadir löste eine große internationale Hilfsaktion aus. Schon am nächsten Tag besuchte König Mohammed V. das Katastrophengebiet und beauftragte seinen Sohn, den Thronfolger Prinz Moulay Hassan, mit der Leitung der Rettungsmaßnahmen1. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich war mit ihrer Marine in Agadir stationiert und stellte die ersten Hilfskräfte. Auch Spanien konnte von nahegelegenen Stützpunkten im damaligen Spanisch-Westafrika schnell Unterstützung leisten2. Die USA errichteten eine Luftbrücke zu ihren Militärbasen in Deutschland und schickten Rettungshelfer, Medikamente, Decken und Nahrungsmittel2. Auch Deutschland beteiligte sich an der Hilfsmission, was einer der ersten Auslandseinsätze der Bundeswehr war. Neben vielen weiteren Nationen wie Großbritannien, Italien, Belgien, Schweden und der Schweiz spendeten auch private Organisationen wie das Rote Kreuz und Caritas Geld und Güter für die Opfer.

Die Rettungsarbeiten gestalteten sich jedoch schwierig, da viele Straßen unpassierbar waren und die Kommunikation unterbrochen war. Die Überlebenden mussten aus den Trümmern geborgen werden, oft mit bloßen Händen oder einfachen Werkzeugen. Viele Menschen waren unter den Trümmern begraben oder eingeschlossen und konnten nur durch ihre Hilferufe oder durch Spürhunde gefunden werden. Die Verletzten wurden in provisorischen Krankenhäusern oder Zelten versorgt oder per Flugzeug oder Schiff in andere Städte oder Länder gebracht. Die Toten wurden auf überfüllten Friedhöfen oder in Massengräbern bestattet, oft ohne Identifizierung oder rituelle Waschung. Die Obdachlosen wurden in Zeltlagern oder Kasernen untergebracht oder in andere Regionen evakuiert. Die Gefahr von Seuchen, Feuer und Nachbeben war ständig präsent und erforderte strenge Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen.

Die Folgen des Erdbebens

Das Erdbeben von Agadir hinterließ tiefe Spuren in der Geschichte und der Psyche Marokkos. Die Stadt, die einst ein blühendes Handels- und Kulturzentrum war, wurde zu einem Symbol des Leidens und des Wiederaufbaus. Der König entschied, dass die Altstadt nicht wieder aufgebaut werden sollte, sondern als Mahnmal für die Opfer erhalten bleiben sollte. Er ließ eine Inschrift an der Kasbah anbringen, die lautete: „Gott, das Vaterland, der König“. Die Neustadt wurde südlich der Ruinen neu errichtet, mit moderner Architektur und Infrastruktur. Agadir entwickelte sich zu einer der größten Städte Marokkos und zu einem beliebten Touristenziel, vor allem wegen seines milden Klimas und seines schönen Strandes. Heute hat Agadir mehr als 600.000 Einwohner1.

Das Erdbeben von Agadir war auch ein politischer Wendepunkt für Marokko, das erst vier Jahre zuvor seine Unabhängigkeit von Frankreich erlangt hatte. Das Erdbeben zeigte die Schwächen des jungen Staates, aber auch seine Fähigkeit, sich mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft zu erholen. Das Erdbeben stärkte auch den Nationalismus und die Loyalität zum Königshaus, das sich als Retter und Beschützer des Volkes präsentierte. Das Erdbeben beeinflusste auch die Kunst und Literatur Marokkos, die sich mit den Themen von Trauer, Verlust und Hoffnung auseinandersetzten.

Das Erdbeben von Agadir war eine der größten Katastrophen der Menschheit im 20. Jahrhundert. Es war ein tragisches Ereignis, das viele Menschenleben forderte und eine ganze Stadt auslöschte. Es war aber auch ein Anlass für Solidarität, Mut und Widerstandsfähigkeit. Es war ein Ereignis, das Marokko veränderte und prägte.

Quellen:

1: Erdbeben von Agadir 1960 – Wikipedia 2: Vor 50 Jahren – Das Erdbeben von Agadir – DW – 01.03.2010 3: 1960 Erdbeben in Agadir – frwiki.wiki 4: Erdbeben in Marokko : [

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