Katastrophen der Menschheit – der Untergang der MV “Derbyshire” am 09.09.1980 

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Katastrophen sind keine Zufälle. Sie sind das Ergebnis einer fatalen Kette von Ereignissen, die durch menschliches und technisches Versagen ausgelöst werden. Oft sind es kleine Fehler oder Nachlässigkeiten, die sich zu einer großen Krise aufschaukeln. Manchmal sind es auch bewusste Entscheidungen oder Risiken, die sich als fatal erweisen. In jedem Fall sind Katastrophen eine Herausforderung für die Menschheit, aus ihnen zu lernen und sie zu vermeiden. Denn Katastrophen haben nicht nur materielle Folgen, sondern auch emotionale und soziale. Sie können ganze Lebenswelten zerstören und tiefe Traumata hinterlassen. 

  1. Februar 2025

Am 9. September 1980 verschwand der britische Frachter MV Derbyshire spurlos im Pazifischen Ozean. Diese Tragödie zählt zu den größten Schiffsunglücken des 20. Jahrhunderts und hinterlässt auch heute, mehr als vier Jahrzehnte später, viele offene Fragen. 

Die letzten Stunden der MV Derbyshire 

Die letzten Stunden der MV Derbyshire waren von einer Atmosphäre der Anspannung und des Kampfes gegen die Naturgewalten geprägt. Das Schiff, ein 294 Meter langer Öltanker und Erzfrachter, befand sich auf seiner Reise von Kanada nach Japan, beladen mit 157.446 Tonnen Erz. Die Derbyshire war ein beeindruckendes Schiff, gebaut für den Transport von Erz und Öl, mit einer enormen Tragfähigkeit und moderner Technik ausgestattet. Doch selbst ein so mächtiges Schiff war den Kräften der Natur letztlich unterlegen. 

Am 9. September 1980 geriet die Derbyshire in den Taifun Orchid. Taifune sind im Pazifik keine Seltenheit, und die Besatzung war erfahren im Umgang mit schwierigen Wetterbedingungen. Doch Orchid war kein gewöhnlicher Sturm. Er entwickelte sich zu einem der stärksten Taifune des Jahres, mit Windgeschwindigkeiten von über 185 km/h und Wellen, die bis zu 15 Meter hoch waren. Die Derbyshire kämpfte sich durch diese gewaltigen Wellen, doch der Druck des Wassers war überwältigend. 

Die letzten Funksprüche der Derbyshire dokumentieren die verzweifelten Versuche der Crew, das Schiff zu retten. Der Kapitän und die Offiziere arbeiteten rund um die Uhr, versuchten, den Kurs zu halten und die Stabilität des Schiffes zu bewahren. Doch die Gewalt des Sturms war zu groß. Wasser drang in die Laderäume ein, die Pumpen konnten nicht mehr mithalten, und das Schiff begann zu sinken. Die Crew wusste, dass ihre Lage aussichtslos war. Sie schickten letzte Nachrichten an andere Schiffe in der Nähe, in der Hoffnung auf Rettung. Doch im endlosen Ozean und bei solch extremen Bedingungen war Hilfe weit entfernt. 

Die letzten Stunden der MV Derbyshire waren ein Kampf gegen die Naturgewalten, ein verzweifelter Versuch, das Leben der Besatzung zu retten und das Schiff zu stabilisieren. Die Dokumentation dieser Stunden zeigt die enorme Belastung, unter der die Crew stand, und die verzweifelten Anstrengungen, die unternommen wurden, um das Schiff zu retten. Es ist eine Geschichte von Mut, Entschlossenheit und letztlich von tragischem Scheitern. 

Ursachen und Untersuchung 

Die genauen Ursachen des Untergangs der MV Derbyshire blieben lange unklar. Erst 14 Jahre später, im Jahr 1994, wurde das Wrack der MV Derbyshire in einer Tiefe von 4.200 Metern gefunden. Die Entdeckung des Wracks war ein bedeutender Durchbruch in der Untersuchung des Unglücks. Bis dahin gab es nur Spekulationen und Theorien über das, was geschehen war. Die Bergung und Untersuchung des Wracks brachte schließlich Licht ins Dunkel. 

Untersuchungen zeigten, dass schwere strukturelle Schäden an den Ladetanks und eine unzureichende Abdichtung der Ladeluken zum Untergang geführt hatten. Die Ladeluken, die das Erz im Inneren des Schiffes schützen sollten, waren nicht stark genug, um dem enormen Druck der Wellen standzuhalten. Experten vermuten, dass der immense Druck des Wassers während des Taifuns die Luken zerdrückte und das Schiff letztlich auseinanderbrach. Die Ladetanks, die das Gewicht des Erzes tragen sollten, waren ebenfalls nicht ausreichend verstärkt, und das Wasser, das in das Schiff eindrang, führte zu strukturellen Schäden, die das Schiff unrettbar machten. 

Die Untersuchung des Wracks brachte auch ans Licht, dass es konstruktive Mängel am Schiff gab. Die Derbyshire war eines der größten Schiffe seiner Zeit, und die Konstruktion solcher gigantischer Frachter war zu dieser Zeit noch in einem relativ frühen Stadium. Es gab nicht genügend Erfahrungen mit der Konstruktion und dem Betrieb von Schiffen dieser Größe, und dies führte zu technischen und strukturellen Fehlern, die letztlich zu ihrem Untergang beitrugen. 

Die Untersuchungen zogen sich über mehrere Jahre hin und umfassten die Analyse der gefundenen Wrackteile, computerbasierte Simulationen und die Befragung von Experten. Die Ergebnisse führten zu zahlreichen Empfehlungen und Vorschlägen zur Verbesserung der Schiffssicherheit und zur Vermeidung ähnlicher Katastrophen in der Zukunft.  

Die Opfer 

Die tragischsten Aspekte des Untergangs der MV Derbyshire sind die menschlichen Verluste. Alle 44 Besatzungsmitglieder, darunter auch zwei Ehefrauen von Crewmitgliedern, verloren ihr Leben. Ihre Körper wurden nie gefunden, und das Wrack lag in einer Tiefe, die eine Bergung unmöglich machte. Die Angehörigen der Opfer kämpften jahrelang um Gerechtigkeit und eine vollständige Aufklärung des Unglücks. 

Die Besatzung der Derbyshire bestand aus erfahrenen Seeleuten, die sich den Gefahren und Herausforderungen ihrer Arbeit bewusst waren. Sie waren gut ausgebildet und hatten viele Jahre auf See verbracht. Die Ehefrauen, die ihre Ehemänner auf dieser Reise begleiteten, teilten das harte Leben an Bord eines Frachtschiffs und die Risiken, die damit verbunden waren. 

Die Nachricht vom Untergang der Derbyshire war ein Schock für die Familien der Besatzungsmitglieder. Sie hatten gehofft, dass ihre Angehörigen gerettet werden könnten, doch diese Hoffnung wurde schnell zunichte gemacht. Die Suche nach dem Wrack und den Überresten der Besatzung dauerte Jahre und brachte schließlich die bittere Erkenntnis, dass niemand überlebt hatte. 

Die Angehörigen der Opfer gründeten eine Interessengemeinschaft, um Druck auf die Behörden auszuüben und eine gründliche Untersuchung des Unglücks zu fordern. Ihre Bemühungen führten schließlich zur Entdeckung des Wracks und zur Durchführung umfangreicher Untersuchungen. Die Angehörigen kämpften nicht nur für Gerechtigkeit, sondern auch dafür, dass die Fehler, die zum Untergang der Derbyshire führten, erkannt und behoben wurden, um zukünftige Katastrophen zu verhindern. 

Der Verlust der Besatzungsmitglieder der Derbyshire ist eine ständige Erinnerung an die Gefahren, denen Seeleute ausgesetzt sind, und an die Notwendigkeit, die Sicherheit in der Schifffahrt kontinuierlich zu verbessern. Die Opfer wurden nie vergessen, und ihre Namen werden in Gedenkfeiern und Denkmälern geehrt. 

Nachwirkungen und Sicherheitsverbesserungen 

Der Untergang der MV Derbyshire führte zu erheblichen Veränderungen in der Schifffahrtssicherheit. Die Untersuchungsergebnisse trugen dazu bei, strengere Sicherheitsstandards für Frachtschiffe einzuführen. Die International Maritime Organization (IMO) erließ neue Vorschriften zur Verstärkung von Ladetanks und Ladeluken, um ähnliche Katastrophen in Zukunft zu verhindern. 

Die neuen Vorschriften betrafen nicht nur die bauliche Verstärkung von Frachtschiffen, sondern auch die regelmäßige Überprüfung und Wartung von Schiffen. Es wurden neue Standards für die Ausbildung und Schulung von Besatzungsmitgliedern eingeführt, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, in Notfällen angemessen zu reagieren. 

Die Änderungen in der Schifffahrtssicherheit gingen weit über die unmittelbare Reaktion auf den Untergang der Derbyshire hinaus. Sie führten zu einer umfassenden Überprüfung und Modernisierung der Sicherheitsvorschriften und -standards in der gesamten Schifffahrtsindustrie. Dies führte zu einer deutlichen Verringerung der Zahl von Schiffsunglücken und einer Verbesserung der Sicherheit für Besatzungsmitglieder und Passagiere. 

Die Nachwirkungen des Untergangs der Derbyshire sind auch ein Beispiel dafür, wie Tragödien als Katalysatoren für positive Veränderungen dienen können. Der Verlust von Menschenleben ist immer eine Katastrophe, aber die Lehren aus solchen Ereignissen können dazu beitragen, die Sicherheit zu verbessern und zukünftige Katastrophen zu verhindern. 

Quellenangaben 

  1. BBC News – Derbyshire: Missing Ship Found After 14 Years 
  1. The Guardian – The Derbyshire Disaster: A 44-Year-Old Tragedy 
  1. Maritime Accident Casebook – The Sinking of the MV Derbyshire 

 

 

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