Katastrophen der Menschheit: Zugunglück von Elsterwerda am 20.11.1997

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Katastrophen geschehen nicht einfach. Sie sind meist eine Verwicklung von unglücklichen Umständen, von menschlichen und technischen Einwirkungen. Diese Katastrophe war gänzlich vermeidbar gewesen, hätte man strikt nach Vorschrift gehandelt. Eine Verspätung, schlampige Bremsproben, Eile und Druck, ungenügende Kommunikation der Beteiligten sowie ein sehr eiliger Zugführer führten zur bislang größten Zug-Katastrophe in Elsterwerda. Zwei Menschen und unzählige Verletzte waren der Preis dafür, dass ein Güterzug-Führer seinen Fahrplan einhalten wollte.

Ausgangslage

Am 20.11.1997 gegen 06.39 h morgens entgleiste im Bahnhof Elsterwerda ein mit Benzin- und Dieselkraftstoff beladener Güterzug mit 22 Kesselwagen. Das Bahnhofsgebäude und umgrenzende Gebäude wurden durch das anschließende Feuer und den Explosionen gänzlich zerstört.

Als Grund für die Katastrophe stellte sich später bei den amtlichen Untersuchungen ein Bremsversagen aus menschlicher Ursache heraus. Lediglich die Bremsanlage der Lok war intakt; die Bremsanlage für die folgenden 22 Kesselwagen war gänzlich ohne Funktion.

Rückblick

Der betreffende Güterzug war am frühen Morgen des 20.11.1997 von Stendell nach Nossen unterwegs. In Stendell nahm der Güterzugführer mit Benzin- und Dieselkraftstoff beladene Kesselwagen, gesamt an die 22 Wagen, auf und sollte diese zum Tanklager Rhäsa transportieren. Der Güterzug hatte ein Gesamtgewicht von stolzen 1851 Tonnen.

Vorgesehen waren mehrfache Lok-Wechsel; mit der ersten Lok sollte der Zugführer zum Bahnhof Berlin-Grünau fahren, einen Richtungswechsel vornehmen und hierzu eine neue E-Lok erhalten, die er bis Riesa fahren sollte. Dort sollte er erneut eine Diesel-Lok erhalten.

Doch wie so oft, war die Planung für die Katz, denn bereits in Berlin-Grünau traf der Zug mit Verspätung ein. Es galt jetzt, schnellstens weiter zu kommen, damit die restliche Planung eingehalten werden konnte und der Fahrplan noch irgendwie stimmte. Denn Zeit ist Geld, und irgendwann ist auch Feierabend.

Rangierbahnhof Berlin-Grünau

Und wo hektische Eile herrscht, Hektik und Stress, unterlaufen auch dem genausten Menschen unweigerlich Fehler. So auch hier. Und wenn im Bahnverkehr, genauso wie im Luftverkehr, den Beteiligten Fehler unterlaufen – sterben Menschen. Doch hieran dachte wohl Niemand, als der Zug rangiert wurde.

Der Zugführer koppelte die bereitgestellte E-Lok an den Zug an. Er verband die Schraubenkupplung – und ging wohl zum Führerstand, ohne nochmals genauer hinzuschauen. Er hatte vergessen, die Druckluftbremsleitung der Lok mit dem folgenden Kesselwagen-Verbund anzuschließen, sowie die einzelnen Absperrhähne zu öffnen! Das hatte unweigerlich Folgen. Denn jetzt verfügte lediglich die Lok über ein funktionierendes Bremssystem – die folgenden Kesselwagen allerdings nicht.

Gemäß amtlicher Vorschrift hätte der Zugführer jetzt das Druckluftbremssystem mit Druckluft bis 5 bar Druck füllen, und anschließend eine vereinfachte Bremsprobe durchführen müssen. Hier wäre das fatale Unterlassen unweigerlich aufgefallen. Das Befüllen der gesamten Bremsdruckleitung des Zuges hätte sehr viel Zeit in Anspruch genommen.

Doch dem Zugführer fiel nichts Verdächtiges auf.

Aber ein weiterer Beteiligter muss die technische Zusammenstellung des Zugverbundes ja noch untersuchen, bevor der Güterzug weiterfahren darf. Erforderlich wäre jetzt eine einfache Bremsprobe.

Doch der Zugvorbereiter hatte es entweder eilig, keine Lust oder hatte einfach „keinen Bock“ auf seine Arbeit. Jedenfalls hätte dieser zusammen mit dem Zugführer gemeinsam diese Bremsprobe vornehmen müssen.

Aufgrund der Verspätung des Zuges hatte dieser nun drei Zugverbände gleichzeitig zu prüfen. An diesem Zug hätte er prüfen müssen, ob sich am letzten Wagen die Bremsen anlegten und lösten und ob die Hauptluftleitung (die nicht mit dem Kesselverbund verbunden war!) ordnungsgemäß verbunden war.

Am letzten Wagen stellte der Zugvorbereiter lediglich fest, dass die Bremsen wohl aufgrund einer Bremsüberlastung anlegten – und beließ es bei dieser Feststellung!

An dieser Stelle und mit dieser Feststellung hätte der gesamte Zugverband einer eindringlichen Überprüfung unterzogen werden müssen, das gesamte Bremssystem hätte sorgfältig überprüft werden sollen. Es wurde nichts unternommen.

Die vorletzte Möglichkeit, die durch Bremsversagen folgende Katastrophe zu verhindern, war hiermit vertan. Auch meldete der Vorbereiter dem Zugführer nicht seine Feststellung, sondern ließ im Kesselwagenverbund die Drucklust aus dem Bremssystem, bis sich am letzten Wagen die Bremse lösten. Das war es. Die letzte Möglichkeit, die unterlassene Meldung, war vertan.

Der Zugführer ging im Irrglauben wohl davon aus, dass sein Zugverbund technisch in Ordnung sei. Er glaubte (oder erhielt auch, das ist strittig) vom Zugvorbereiter die Meldung „Bremsen in Ordnung“ erhalten zu haben – und fuhr los.

Wir erinnern uns nochmal, dass lediglich die Lok eine funktionierende Bremse zur Verfügung hatte; der folgende Kesselwagenverbund, bestehend aus 22 beladenen Kesselwagen mit Benzin und Diesel, stolze 1800 Tonnen schwer, nicht.

Bahnhof Elsterwerda

Da zu dieser Zeit wenig Verkehr auf den Bahnschienen herrschte, konnte der Zugführer viel Fahrt machen und die Verspätung etwas aufholen. Auch musste er auf der Strecke nicht bremsen, so dass ihm die Fehlfunktion der Bremsanlage nicht vor Elsterwerda auffiel.

Zwischenzeitlich hatte sich die Betriebsleitung wegen der Verspätung dazu entschlossen, den nachfolgenden Lokwechsel bereits in Elsterwerda vorzunehmen. Die Fahrstraße wurde daher geändert. Der Zug sollte jetzt vom Hauptgleis auf Gleis 5 des Bahnhofes Elsterwerda abbiegen. Entsprechend wurden die Streckensignale gestellt, was auch bedeutete, dass der Zugführer vor dem Vorsignal auf 40 km/h bremsen musste.

Entsetzt stellte dieser erst jetzt bei der fälligen Bremsung fest, dass der gesamte Zugverbund fast keine Bremskraft besaß. Per Zugfunk informierte er den FDL hierüber. Um 7 Uhr am Morgen fuhr der Zug im Bahnhof Elsterwerda ein und entgleiste mit 90 km/h auf Gleis 5.

Die Katastrophe

15 Kesselwagen entgleisten im Bahnsteig. 13 Kessel brachen und entzündeten sich sofort. Die Druckwelle der Explosion zerstörte den gesamten Bahnhof und umliegende Gebäude. Eine gewaltige Detonation zog durch die Umgebung des Bahnhofes und setzte durch Benzin und Diesel die Umgebung in Brand. Ein Feuerpilz stieg in die Höhe.

Durch die gewaltige Druckwelle der ersten Explosion wurden weitere Kesselwagen beschädigt, die nunmehr ebenso explodierten. Der Stadtbrandmeister wurde von der einstürzenden Bahnhofhalle erschlagen.

Sieben intakte Kesselwagen konnten gegen Mittag aus der Gefahrenstelle gezogen werden.

Die Beteiligten wurden anschließend zu Bewährungsstrafen verurteilt. Das Bahnhofsgebäude wurde neu aufgebaut.

https://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnunfall_von_Elsterwerda

jeweils abgerufen am 17.04.2023

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